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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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die Baumeister mit den Conditorn aus einer
Schule entsprungen zu seyn schienen; so war
hier Conditor und Tafeldecker bey dem Ar¬
chitekten in die Schule gegangen.

Da man mehrere Tage zusammen blieb,
hatte der geistreiche und verständige Wirth
für die Unterhaltung der Gesellschaft auf das
mannigfaltigste gesorgt. Ich wiederholte
hier nicht die traurige Erfahrung, die ich so
oft in meinem Leben gehabt hatte, wie übel
eine große gemischte Gesellschaft sich befinde,
die sich selbst überlassen zu den allgemeinsten
und schalsten Zeitvertreiben greifen muß, da¬
mit ja eher die guten als die schlechten Sub¬
jecte Mangel der Unterhaltung fühlen.

Ganz anders hatte es der Oheim veran¬
staltet. Er hatte zwey bis drey Marschälle,
wenn ich sie so nennen darf, bestellt; der ei¬
ne hatte für die Freuden der jungen Welt
zu sorgen. Tänze, Spazierfahrten, kleine

die Baumeiſter mit den Conditorn aus einer
Schule entſprungen zu ſeyn ſchienen; ſo war
hier Conditor und Tafeldecker bey dem Ar¬
chitekten in die Schule gegangen.

Da man mehrere Tage zuſammen blieb,
hatte der geiſtreiche und verſtändige Wirth
für die Unterhaltung der Geſellſchaft auf das
mannigfaltigſte geſorgt. Ich wiederholte
hier nicht die traurige Erfahrung, die ich ſo
oft in meinem Leben gehabt hatte, wie übel
eine große gemiſchte Geſellſchaft ſich befinde,
die ſich ſelbſt überlaſſen zu den allgemeinſten
und ſchalſten Zeitvertreiben greifen muß, da¬
mit ja eher die guten als die ſchlechten Sub¬
jecte Mangel der Unterhaltung fühlen.

Ganz anders hatte es der Oheim veran¬
ſtaltet. Er hatte zwey bis drey Marſchälle,
wenn ich ſie ſo nennen darf, beſtellt; der ei¬
ne hatte für die Freuden der jungen Welt
zu ſorgen. Tänze, Spazierfahrten, kleine

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[324/0330] die Baumeiſter mit den Conditorn aus einer Schule entſprungen zu ſeyn ſchienen; ſo war hier Conditor und Tafeldecker bey dem Ar¬ chitekten in die Schule gegangen. Da man mehrere Tage zuſammen blieb, hatte der geiſtreiche und verſtändige Wirth für die Unterhaltung der Geſellſchaft auf das mannigfaltigſte geſorgt. Ich wiederholte hier nicht die traurige Erfahrung, die ich ſo oft in meinem Leben gehabt hatte, wie übel eine große gemiſchte Geſellſchaft ſich befinde, die ſich ſelbſt überlaſſen zu den allgemeinſten und ſchalſten Zeitvertreiben greifen muß, da¬ mit ja eher die guten als die ſchlechten Sub¬ jecte Mangel der Unterhaltung fühlen. Ganz anders hatte es der Oheim veran¬ ſtaltet. Er hatte zwey bis drey Marſchälle, wenn ich ſie ſo nennen darf, beſtellt; der ei¬ ne hatte für die Freuden der jungen Welt zu ſorgen. Tänze, Spazierfahrten, kleine

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/330>, abgerufen am 19.05.2024.