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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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auf einmal, daß es nur eine Glasglocke sey,
die mich in den luftleeren Raum sperrte;
nur noch so viel Kraft sie entzwey zu schla¬
gen, und du bist gerettet.

Gedacht gewagt. Ich zog die Maske
ab und handelte jedesmal wie mirs ums
Herz war. Narcissen hatte ich immer zärt¬
lich lieb; aber das Thermometer, das vorher
im heißen Wasser gestanden, hing nun an
der natürlichen Luft; es konnte nicht höher
steigen, als die Atmosphäre warm war.

Unglücklicherweise erkältete sie sich sehr.
Narciß fing an sich zurück zu ziehen und
fremd zu thun, das stand ihm frey; aber
mein Thermometer fiel, so wie er sich zurück
zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬
fragte mich, man wollte sich verwundern.
Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich
mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich
bereit sey, noch ferner und bis ans Ende

auf einmal, daß es nur eine Glasglocke ſey,
die mich in den luftleeren Raum ſperrte;
nur noch ſo viel Kraft ſie entzwey zu ſchla¬
gen, und du biſt gerettet.

Gedacht gewagt. Ich zog die Maske
ab und handelte jedesmal wie mirs ums
Herz war. Narciſſen hatte ich immer zärt¬
lich lieb; aber das Thermometer, das vorher
im heißen Waſſer geſtanden, hing nun an
der natürlichen Luft; es konnte nicht höher
ſteigen, als die Atmoſphäre warm war.

Unglücklicherweiſe erkältete ſie ſich ſehr.
Narciß fing an ſich zurück zu ziehen und
fremd zu thun, das ſtand ihm frey; aber
mein Thermometer fiel, ſo wie er ſich zurück
zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬
fragte mich, man wollte ſich verwundern.
Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich
mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich
bereit ſey, noch ferner und bis ans Ende

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[265[263]/0269] auf einmal, daß es nur eine Glasglocke ſey, die mich in den luftleeren Raum ſperrte; nur noch ſo viel Kraft ſie entzwey zu ſchla¬ gen, und du biſt gerettet. Gedacht gewagt. Ich zog die Maske ab und handelte jedesmal wie mirs ums Herz war. Narciſſen hatte ich immer zärt¬ lich lieb; aber das Thermometer, das vorher im heißen Waſſer geſtanden, hing nun an der natürlichen Luft; es konnte nicht höher ſteigen, als die Atmoſphäre warm war. Unglücklicherweiſe erkältete ſie ſich ſehr. Narciß fing an ſich zurück zu ziehen und fremd zu thun, das ſtand ihm frey; aber mein Thermometer fiel, ſo wie er ſich zurück zog. Meine Familie bemerkte es, man be¬ fragte mich, man wollte ſich verwundern. Ich erklärte mit männlichem Trotz, daß ich mich bisher genug aufgeopfert habe, daß ich bereit ſey, noch ferner und bis ans Ende

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 265[263]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/269>, abgerufen am 21.05.2024.