Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Zu eben dieser Zeit nahm man Emilie
Galotti vor. Dieses Stück war sehr glück¬
lich besetzt, und alle konnten in dem beschränk¬
ten Kreise dieses Trauerspiels die ganze Ma¬
nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo
war als Marinelli an seinem Platze, Odo¬
ardo ward sehr gut vorgetragen, Madam
Melina spielte die Mutter mit vieler Ein¬
sicht, Elmire zeichnete sich in der Rolle Emi¬
liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat
als Appiani mit vielen Anstand auf, und
Wilhelm hatte ein Studium von mehreren
Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬
det. Bey dieser Gelegenheit hatte er sowohl
mit sich selbst als mit Serlo und Aurelien
die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬
schied sich zwischen einem edlen und vorneh¬
men Betragen zeige, und in wiefern jenes
in diesem, dieses aber nicht in jenem enthal¬
ten zu seyn brauche.

Serlo

Zu eben dieſer Zeit nahm man Emilie
Galotti vor. Dieſes Stück war ſehr glück¬
lich beſetzt, und alle konnten in dem beſchränk¬
ten Kreiſe dieſes Trauerſpiels die ganze Ma¬
nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo
war als Marinelli an ſeinem Platze, Odo¬
ardo ward ſehr gut vorgetragen, Madam
Melina ſpielte die Mutter mit vieler Ein¬
ſicht, Elmire zeichnete ſich in der Rolle Emi¬
liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat
als Appiani mit vielen Anſtand auf, und
Wilhelm hatte ein Studium von mehreren
Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬
det. Bey dieſer Gelegenheit hatte er ſowohl
mit ſich ſelbſt als mit Serlo und Aurelien
die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬
ſchied ſich zwiſchen einem edlen und vorneh¬
men Betragen zeige, und in wiefern jenes
in dieſem, dieſes aber nicht in jenem enthal¬
ten zu ſeyn brauche.

Serlo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0198" n="192"/>
            <p>Zu eben die&#x017F;er Zeit nahm man Emilie<lb/>
Galotti vor. Die&#x017F;es Stück war &#x017F;ehr glück¬<lb/>
lich be&#x017F;etzt, und alle konnten in dem be&#x017F;chränk¬<lb/>
ten Krei&#x017F;e die&#x017F;es Trauer&#x017F;piels die ganze Ma¬<lb/>
nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo<lb/>
war als Marinelli an &#x017F;einem Platze, Odo¬<lb/>
ardo ward &#x017F;ehr gut vorgetragen, Madam<lb/>
Melina &#x017F;pielte die Mutter mit vieler Ein¬<lb/>
&#x017F;icht, Elmire zeichnete &#x017F;ich in der Rolle Emi¬<lb/>
liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat<lb/>
als Appiani mit vielen An&#x017F;tand auf, und<lb/>
Wilhelm hatte ein Studium von mehreren<lb/>
Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬<lb/>
det. Bey die&#x017F;er Gelegenheit hatte er &#x017F;owohl<lb/>
mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t als mit Serlo und Aurelien<lb/>
die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬<lb/>
&#x017F;chied &#x017F;ich zwi&#x017F;chen einem edlen und vorneh¬<lb/>
men Betragen zeige, und in wiefern jenes<lb/>
in die&#x017F;em, die&#x017F;es aber nicht in jenem enthal¬<lb/>
ten zu &#x017F;eyn brauche.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Serlo<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0198] Zu eben dieſer Zeit nahm man Emilie Galotti vor. Dieſes Stück war ſehr glück¬ lich beſetzt, und alle konnten in dem beſchränk¬ ten Kreiſe dieſes Trauerſpiels die ganze Ma¬ nigfaltigkeit ihres Spieles zeigen. Serlo war als Marinelli an ſeinem Platze, Odo¬ ardo ward ſehr gut vorgetragen, Madam Melina ſpielte die Mutter mit vieler Ein¬ ſicht, Elmire zeichnete ſich in der Rolle Emi¬ liens zu ihrem Vortheil aus, Laertes trat als Appiani mit vielen Anſtand auf, und Wilhelm hatte ein Studium von mehreren Monaten auf die Rolle des Prinzen verwen¬ det. Bey dieſer Gelegenheit hatte er ſowohl mit ſich ſelbſt als mit Serlo und Aurelien die Frage oft abgehandelt: welch ein Unter¬ ſchied ſich zwiſchen einem edlen und vorneh¬ men Betragen zeige, und in wiefern jenes in dieſem, dieſes aber nicht in jenem enthal¬ ten zu ſeyn brauche. Serlo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/198
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/198>, abgerufen am 11.12.2024.