Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

sache, welche Göttin meynen Sie? Minerva
oder Pallas? die Göttin des Krieges oder
der Künste? --

Sollte es nicht am schicklichsten seyn,
Euere Excellenz, versetzte Wilhelm, wenn
man hierüber sich nicht bestimmt ausdrückte,
und sie, eben weil sie in der Mythologie
eine doppelte Person spielt, auch hier in dop¬
pelter Qualität erscheinen ließe. Sie meldet
einen Krieger an, aber nur um das Volk zu
beruhigen, sie preißt einen Helden, indem sie
seine Menschlichkeit erhebt, sie überwindet
die Gewaltthätigkeit und stellt die Freude
und Ruhe unter dem Volke wieder her.

Die Baronesse, der es bange wurde, Wil¬
helm möchte sich verrathen, schob geschwinde
den Leibschneider der Gräfin dazwischen, der
seine Meinung abgeben mußte, wie ein sol¬
cher antiker Rock auf das beste gefertiget
werden könnte. Dieser Mann, in Masken¬

ſache, welche Göttin meynen Sie? Minerva
oder Pallas? die Göttin des Krieges oder
der Künſte? —

Sollte es nicht am ſchicklichſten ſeyn,
Euere Excellenz, verſetzte Wilhelm, wenn
man hierüber ſich nicht beſtimmt ausdrückte,
und ſie, eben weil ſie in der Mythologie
eine doppelte Perſon ſpielt, auch hier in dop¬
pelter Qualität erſcheinen ließe. Sie meldet
einen Krieger an, aber nur um das Volk zu
beruhigen, ſie preißt einen Helden, indem ſie
ſeine Menſchlichkeit erhebt, ſie überwindet
die Gewaltthätigkeit und ſtellt die Freude
und Ruhe unter dem Volke wieder her.

Die Baroneſſe, der es bange wurde, Wil¬
helm möchte ſich verrathen, ſchob geſchwinde
den Leibſchneider der Gräfin dazwiſchen, der
ſeine Meinung abgeben mußte, wie ein ſol¬
cher antiker Rock auf das beſte gefertiget
werden könnte. Dieſer Mann, in Masken¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0086" n="78"/>
&#x017F;ache, welche Göttin meynen Sie? Minerva<lb/>
oder Pallas? die Göttin des Krieges oder<lb/>
der Kün&#x017F;te? &#x2014;</p><lb/>
            <p>Sollte es nicht am &#x017F;chicklich&#x017F;ten &#x017F;eyn,<lb/>
Euere Excellenz, ver&#x017F;etzte Wilhelm, wenn<lb/>
man hierüber &#x017F;ich nicht be&#x017F;timmt ausdrückte,<lb/>
und &#x017F;ie, eben weil &#x017F;ie in der Mythologie<lb/>
eine doppelte Per&#x017F;on &#x017F;pielt, auch hier in dop¬<lb/>
pelter Qualität er&#x017F;cheinen ließe. Sie meldet<lb/>
einen Krieger an, aber nur um das Volk zu<lb/>
beruhigen, &#x017F;ie preißt einen Helden, indem &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;eine Men&#x017F;chlichkeit erhebt, &#x017F;ie überwindet<lb/>
die Gewaltthätigkeit und &#x017F;tellt die Freude<lb/>
und Ruhe unter dem Volke wieder her.</p><lb/>
            <p>Die Barone&#x017F;&#x017F;e, der es bange wurde, Wil¬<lb/>
helm möchte &#x017F;ich verrathen, &#x017F;chob ge&#x017F;chwinde<lb/>
den Leib&#x017F;chneider der Gräfin dazwi&#x017F;chen, der<lb/>
&#x017F;eine Meinung abgeben mußte, wie ein &#x017F;ol¬<lb/>
cher antiker Rock auf das be&#x017F;te gefertiget<lb/>
werden könnte. Die&#x017F;er Mann, in Masken¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0086] ſache, welche Göttin meynen Sie? Minerva oder Pallas? die Göttin des Krieges oder der Künſte? — Sollte es nicht am ſchicklichſten ſeyn, Euere Excellenz, verſetzte Wilhelm, wenn man hierüber ſich nicht beſtimmt ausdrückte, und ſie, eben weil ſie in der Mythologie eine doppelte Perſon ſpielt, auch hier in dop¬ pelter Qualität erſcheinen ließe. Sie meldet einen Krieger an, aber nur um das Volk zu beruhigen, ſie preißt einen Helden, indem ſie ſeine Menſchlichkeit erhebt, ſie überwindet die Gewaltthätigkeit und ſtellt die Freude und Ruhe unter dem Volke wieder her. Die Baroneſſe, der es bange wurde, Wil¬ helm möchte ſich verrathen, ſchob geſchwinde den Leibſchneider der Gräfin dazwiſchen, der ſeine Meinung abgeben mußte, wie ein ſol¬ cher antiker Rock auf das beſte gefertiget werden könnte. Dieſer Mann, in Masken¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/86
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/86>, abgerufen am 25.11.2024.