anders seyn? Ich muß es eben bezahlen, daß ich eine Deutsche bin; es ist der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird.
O, meine Freundin, fiel Wilhelm ein, könnten Sie doch aufhören selbst den Dolch zu schärfen, mit dem Sie sich unablässig ver¬ wunden! Bleibt Ihnen denn nichts? Ist denn Ihre Jugend, Ihre Gestalt, Ihre Ge¬ sundheit, sind Ihre Talente nichts? Wenn Sie ein Gut ohne Ihr Verschulden verloren haben, müssen Sie denn alles Übrige hinter¬ drein werfen? Ist das auch nothwendig?
Sie schwieg einige Augenblicke, dann fuhr sie auf: ich weiß es wohl, daß es Zeitver¬ derb ist, nichts als Zeitverderb ist die Liebe! Was hätte ich nicht thun können! thun sol¬ len! nun ist alles rein zu Nichts geworden. Ich bin ein armes verliebtes Geschöpf, nichts als verliebt! Haben Sie Mitleiden mit mir, bey Gott, ich bin ein armes Geschöpf!
anders ſeyn? Ich muß es eben bezahlen, daß ich eine Deutſche bin; es iſt der Charakter der Deutſchen, daß ſie über allem ſchwer werden, daß alles über ihnen ſchwer wird.
O, meine Freundin, fiel Wilhelm ein, könnten Sie doch aufhören ſelbſt den Dolch zu ſchärfen, mit dem Sie ſich unabläſſig ver¬ wunden! Bleibt Ihnen denn nichts? Iſt denn Ihre Jugend, Ihre Geſtalt, Ihre Ge¬ ſundheit, ſind Ihre Talente nichts? Wenn Sie ein Gut ohne Ihr Verſchulden verloren haben, müſſen Sie denn alles Übrige hinter¬ drein werfen? Iſt das auch nothwendig?
Sie ſchwieg einige Augenblicke, dann fuhr ſie auf: ich weiß es wohl, daß es Zeitver¬ derb iſt, nichts als Zeitverderb iſt die Liebe! Was hätte ich nicht thun können! thun ſol¬ len! nun iſt alles rein zu Nichts geworden. Ich bin ein armes verliebtes Geſchöpf, nichts als verliebt! Haben Sie Mitleiden mit mir, bey Gott, ich bin ein armes Geſchöpf!
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anders ſeyn? Ich muß es eben bezahlen, daß
ich eine Deutſche bin; es iſt der Charakter
der Deutſchen, daß ſie über allem ſchwer
werden, daß alles über ihnen ſchwer wird.
O, meine Freundin, fiel Wilhelm ein,
könnten Sie doch aufhören ſelbſt den Dolch
zu ſchärfen, mit dem Sie ſich unabläſſig ver¬
wunden! Bleibt Ihnen denn nichts? Iſt
denn Ihre Jugend, Ihre Geſtalt, Ihre Ge¬
ſundheit, ſind Ihre Talente nichts? Wenn
Sie ein Gut ohne Ihr Verſchulden verloren
haben, müſſen Sie denn alles Übrige hinter¬
drein werfen? Iſt das auch nothwendig?
Sie ſchwieg einige Augenblicke, dann fuhr
ſie auf: ich weiß es wohl, daß es Zeitver¬
derb iſt, nichts als Zeitverderb iſt die Liebe!
Was hätte ich nicht thun können! thun ſol¬
len! nun iſt alles rein zu Nichts geworden.
Ich bin ein armes verliebtes Geſchöpf, nichts
als verliebt! Haben Sie Mitleiden mit mir,
bey Gott, ich bin ein armes Geſchöpf!
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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