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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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zu wollen, und stürzt hinein, eben da, wo er
seinen Weg glücklich auszulaufen gedenkt.

Denn das ist die Eigenschaft der Greuel¬
that, daß sie auch Böses über den Unschul¬
digen, wie der guten Handlung, daß sie viele
Vortheile auch über den Unverdienten aus¬
breitet, ohne daß der Urheber von beiden oft
weder bestraft noch belohnt wird. Hier in
unserm Stücke wie wunderbar! Das Fege¬
feuer sendet seinen Geist und fordert Rache,
aber vergebens. Alle Umstände kommen zu¬
sammen, und treiben die Rache, vergebens!
Weder Irrdischen noch Unterirrdischen kann
gelingen, was dem Schicksal allein vorbehal¬
ten ist. Die Gerichtsstunde kommt. Der
Böse fällt mit dem Guten. Ein Geschlecht
wird weggemäht, und das andere sproßt auf.

Nach einer Pause, in der sie einander an¬
sahen, nahm Serlo das Wort: Sie machen
der Vorsehung kein sonderlich Compliment,

zu wollen, und ſtürzt hinein, eben da, wo er
ſeinen Weg glücklich auszulaufen gedenkt.

Denn das iſt die Eigenſchaft der Greuel¬
that, daß ſie auch Böſes über den Unſchul¬
digen, wie der guten Handlung, daß ſie viele
Vortheile auch über den Unverdienten aus¬
breitet, ohne daß der Urheber von beiden oft
weder beſtraft noch belohnt wird. Hier in
unſerm Stücke wie wunderbar! Das Fege¬
feuer ſendet ſeinen Geiſt und fordert Rache,
aber vergebens. Alle Umſtände kommen zu¬
ſammen, und treiben die Rache, vergebens!
Weder Irrdiſchen noch Unterirrdiſchen kann
gelingen, was dem Schickſal allein vorbehal¬
ten iſt. Die Gerichtsſtunde kommt. Der
Böſe fällt mit dem Guten. Ein Geſchlecht
wird weggemäht, und das andere ſproßt auf.

Nach einer Pauſe, in der ſie einander an¬
ſahen, nahm Serlo das Wort: Sie machen
der Vorſehung kein ſonderlich Compliment,

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[303/0312] zu wollen, und ſtürzt hinein, eben da, wo er ſeinen Weg glücklich auszulaufen gedenkt. Denn das iſt die Eigenſchaft der Greuel¬ that, daß ſie auch Böſes über den Unſchul¬ digen, wie der guten Handlung, daß ſie viele Vortheile auch über den Unverdienten aus¬ breitet, ohne daß der Urheber von beiden oft weder beſtraft noch belohnt wird. Hier in unſerm Stücke wie wunderbar! Das Fege¬ feuer ſendet ſeinen Geiſt und fordert Rache, aber vergebens. Alle Umſtände kommen zu¬ ſammen, und treiben die Rache, vergebens! Weder Irrdiſchen noch Unterirrdiſchen kann gelingen, was dem Schickſal allein vorbehal¬ ten iſt. Die Gerichtsſtunde kommt. Der Böſe fällt mit dem Guten. Ein Geſchlecht wird weggemäht, und das andere ſproßt auf. Nach einer Pauſe, in der ſie einander an¬ ſahen, nahm Serlo das Wort: Sie machen der Vorſehung kein ſonderlich Compliment,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/312>, abgerufen am 24.11.2024.