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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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die Neigung der Menschen verschaft, so ist
billig, daß wir durch Fleiß und Anstrengung
zugleich die Mittel erwerben, unsre Bedürf¬
nisse zu befriedigen, da wir doch einmal nicht
ganz Geist sind. Wären wir in der Stadt,
wo alles zu finden ist; so hätte man diese
kleine Summe in eine Uhr, einen Ring oder
sonst etwas verwandelt; nun gebe ich aber
den Zauberstab unmittelbar in Ihre Hände,
schaffen Sie sich ein Kleinod dafür, das Ih¬
nen am liebsten und am dienlichsten ist, und
verwahren Sie es zu unserm Andenken. Da¬
bey halten Sie ja den Beutel in Ehren. Die
Damen haben ihn selbst gestrickt, und ihre
Absicht war, durch das Gefäß dem Inhalt
die annehmlichste Form zu geben.

Vergeben Sie, versetzte Wilhelm, meiner
Verlegenheit und meinen Zweifeln, dieses Ge¬
schenk anzunehmen. Es vernichtet gleichsam
das Wenige was ich gethan habe, und hin¬

die Neigung der Menſchen verſchaft, ſo iſt
billig, daß wir durch Fleiß und Anſtrengung
zugleich die Mittel erwerben, unſre Bedürf¬
niſſe zu befriedigen, da wir doch einmal nicht
ganz Geiſt ſind. Wären wir in der Stadt,
wo alles zu finden iſt; ſo hätte man dieſe
kleine Summe in eine Uhr, einen Ring oder
ſonſt etwas verwandelt; nun gebe ich aber
den Zauberſtab unmittelbar in Ihre Hände,
ſchaffen Sie ſich ein Kleinod dafür, das Ih¬
nen am liebſten und am dienlichſten iſt, und
verwahren Sie es zu unſerm Andenken. Da¬
bey halten Sie ja den Beutel in Ehren. Die
Damen haben ihn ſelbſt geſtrickt, und ihre
Abſicht war, durch das Gefäß dem Inhalt
die annehmlichſte Form zu geben.

Vergeben Sie, verſetzte Wilhelm, meiner
Verlegenheit und meinen Zweifeln, dieſes Ge¬
ſchenk anzunehmen. Es vernichtet gleichſam
das Wenige was ich gethan habe, und hin¬

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[167/0175] die Neigung der Menſchen verſchaft, ſo iſt billig, daß wir durch Fleiß und Anſtrengung zugleich die Mittel erwerben, unſre Bedürf¬ niſſe zu befriedigen, da wir doch einmal nicht ganz Geiſt ſind. Wären wir in der Stadt, wo alles zu finden iſt; ſo hätte man dieſe kleine Summe in eine Uhr, einen Ring oder ſonſt etwas verwandelt; nun gebe ich aber den Zauberſtab unmittelbar in Ihre Hände, ſchaffen Sie ſich ein Kleinod dafür, das Ih¬ nen am liebſten und am dienlichſten iſt, und verwahren Sie es zu unſerm Andenken. Da¬ bey halten Sie ja den Beutel in Ehren. Die Damen haben ihn ſelbſt geſtrickt, und ihre Abſicht war, durch das Gefäß dem Inhalt die annehmlichſte Form zu geben. Vergeben Sie, verſetzte Wilhelm, meiner Verlegenheit und meinen Zweifeln, dieſes Ge¬ ſchenk anzunehmen. Es vernichtet gleichſam das Wenige was ich gethan habe, und hin¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/175>, abgerufen am 22.11.2024.