Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

einem kleinen Frühstücke zu beschäftigen. Sie
waren sehr lebhaft, und erzählten viele lusti¬
ge Geschichten. Der eine besonders, der eine
Zeitlang auf Werbung gestanden, wußte
nicht genug die List und Thätigkeit seines
Hauptmanns zu rühmen, der alle Arten von
Menschen an sich zu ziehen, und jeden nach
seiner Art zu überlisten verstand. Umständ¬
lich erzählte er, wie junge Leute von gutem
Hause und sorgfältiger Erziehung, durch al¬
lerley Vorspiegelungen einer anständigen Ver¬
sorgung betrogen worden, und lachte herz¬
lich über die Gimpel, denen es im Anfange
so wohl gethan habe, sich von einem ange¬
sehenen, tapferen, klugen und freygebigen
Officier geschätzt und hervorgezogen zu sehen.

Wie segnete Wilhelm seinen Genius, der
ihm so unvermuthet den Abgrund zeigte,
dessen Rande er sich unschuldigerweise genä¬
hert hatte. Er sah nun in Jarno nichts als

einem kleinen Frühſtücke zu beſchäftigen. Sie
waren ſehr lebhaft, und erzählten viele luſti¬
ge Geſchichten. Der eine beſonders, der eine
Zeitlang auf Werbung geſtanden, wußte
nicht genug die Liſt und Thätigkeit ſeines
Hauptmanns zu rühmen, der alle Arten von
Menſchen an ſich zu ziehen, und jeden nach
ſeiner Art zu überliſten verſtand. Umſtänd¬
lich erzählte er, wie junge Leute von gutem
Hauſe und ſorgfältiger Erziehung, durch al¬
lerley Vorſpiegelungen einer anſtändigen Ver¬
ſorgung betrogen worden, und lachte herz¬
lich über die Gimpel, denen es im Anfange
ſo wohl gethan habe, ſich von einem ange¬
ſehenen, tapferen, klugen und freygebigen
Officier geſchätzt und hervorgezogen zu ſehen.

Wie ſegnete Wilhelm ſeinen Genius, der
ihm ſo unvermuthet den Abgrund zeigte,
deſſen Rande er ſich unſchuldigerweiſe genä¬
hert hatte. Er ſah nun in Jarno nichts als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0150" n="142"/>
einem kleinen Früh&#x017F;tücke zu be&#x017F;chäftigen. Sie<lb/>
waren &#x017F;ehr lebhaft, und erzählten viele lu&#x017F;ti¬<lb/>
ge Ge&#x017F;chichten. Der eine be&#x017F;onders, der eine<lb/>
Zeitlang auf Werbung ge&#x017F;tanden, wußte<lb/>
nicht genug die Li&#x017F;t und Thätigkeit &#x017F;eines<lb/>
Hauptmanns zu rühmen, der alle Arten von<lb/>
Men&#x017F;chen an &#x017F;ich zu ziehen, und jeden nach<lb/>
&#x017F;einer Art zu überli&#x017F;ten ver&#x017F;tand. Um&#x017F;tänd¬<lb/>
lich erzählte er, wie junge Leute von gutem<lb/>
Hau&#x017F;e und &#x017F;orgfältiger Erziehung, durch al¬<lb/>
lerley Vor&#x017F;piegelungen einer an&#x017F;tändigen Ver¬<lb/>
&#x017F;orgung betrogen worden, und lachte herz¬<lb/>
lich über die Gimpel, denen es im Anfange<lb/>
&#x017F;o wohl gethan habe, &#x017F;ich von einem ange¬<lb/>
&#x017F;ehenen, tapferen, klugen und freygebigen<lb/>
Officier ge&#x017F;chätzt und hervorgezogen zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
            <p>Wie &#x017F;egnete Wilhelm &#x017F;einen Genius, der<lb/>
ihm &#x017F;o unvermuthet den Abgrund zeigte,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Rande er &#x017F;ich un&#x017F;chuldigerwei&#x017F;e genä¬<lb/>
hert hatte. Er &#x017F;ah nun in Jarno nichts als<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0150] einem kleinen Frühſtücke zu beſchäftigen. Sie waren ſehr lebhaft, und erzählten viele luſti¬ ge Geſchichten. Der eine beſonders, der eine Zeitlang auf Werbung geſtanden, wußte nicht genug die Liſt und Thätigkeit ſeines Hauptmanns zu rühmen, der alle Arten von Menſchen an ſich zu ziehen, und jeden nach ſeiner Art zu überliſten verſtand. Umſtänd¬ lich erzählte er, wie junge Leute von gutem Hauſe und ſorgfältiger Erziehung, durch al¬ lerley Vorſpiegelungen einer anſtändigen Ver¬ ſorgung betrogen worden, und lachte herz¬ lich über die Gimpel, denen es im Anfange ſo wohl gethan habe, ſich von einem ange¬ ſehenen, tapferen, klugen und freygebigen Officier geſchätzt und hervorgezogen zu ſehen. Wie ſegnete Wilhelm ſeinen Genius, der ihm ſo unvermuthet den Abgrund zeigte, deſſen Rande er ſich unſchuldigerweiſe genä¬ hert hatte. Er ſah nun in Jarno nichts als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/150
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/150>, abgerufen am 06.05.2024.