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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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theilt, auf den Verfasser aber wußte niemand
zu muthmaßen, und als man mit einiger
Schadenfreude sich darüber zu ergötzen an¬
fing, erklärte sich Wilhelm sehr dagegen.

Wir Deutschen, rief er aus, verdienten,
daß unsre Musen in der Verachtung blieben,
in der sie so lange geschmachtet haben, da
wir nicht Männer von Stande zu schätzen
wissen, die sich mit unsrer Litteratur auf ir¬
gend eine Weise abgeben mögen. Geburt,
Stand und Vermögen stehen in keinem Wi¬
derspruch mit Genie und Geschmack, das ha¬
ben uns fremde Nationen gelehrt, welche
unter ihren besten Köpfen eine große Anzahl
Edelleute zählen. War es bisher in Deutsch¬
land ein Wunder, wenn ein Mann von Ge¬
burt sich den Wissenschaften widmete, wurden
bisher nur weniger berühmte Nahmen durch
ihre Neigung zu Kunst und Wissenschaft
noch berühmter; stiegen dagegen manche aus

theilt, auf den Verfaſſer aber wußte niemand
zu muthmaßen, und als man mit einiger
Schadenfreude ſich darüber zu ergötzen an¬
fing, erklärte ſich Wilhelm ſehr dagegen.

Wir Deutſchen, rief er aus, verdienten,
daß unſre Muſen in der Verachtung blieben,
in der ſie ſo lange geſchmachtet haben, da
wir nicht Männer von Stande zu ſchätzen
wiſſen, die ſich mit unſrer Litteratur auf ir¬
gend eine Weiſe abgeben mögen. Geburt,
Stand und Vermögen ſtehen in keinem Wi¬
derſpruch mit Genie und Geſchmack, das ha¬
ben uns fremde Nationen gelehrt, welche
unter ihren beſten Köpfen eine große Anzahl
Edelleute zählen. War es bisher in Deutſch¬
land ein Wunder, wenn ein Mann von Ge¬
burt ſich den Wiſſenſchaften widmete, wurden
bisher nur weniger berühmte Nahmen durch
ihre Neigung zu Kunſt und Wiſſenſchaft
noch berühmter; ſtiegen dagegen manche aus

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[108/0116] theilt, auf den Verfaſſer aber wußte niemand zu muthmaßen, und als man mit einiger Schadenfreude ſich darüber zu ergötzen an¬ fing, erklärte ſich Wilhelm ſehr dagegen. Wir Deutſchen, rief er aus, verdienten, daß unſre Muſen in der Verachtung blieben, in der ſie ſo lange geſchmachtet haben, da wir nicht Männer von Stande zu ſchätzen wiſſen, die ſich mit unſrer Litteratur auf ir¬ gend eine Weiſe abgeben mögen. Geburt, Stand und Vermögen ſtehen in keinem Wi¬ derſpruch mit Genie und Geſchmack, das ha¬ ben uns fremde Nationen gelehrt, welche unter ihren beſten Köpfen eine große Anzahl Edelleute zählen. War es bisher in Deutſch¬ land ein Wunder, wenn ein Mann von Ge¬ burt ſich den Wiſſenſchaften widmete, wurden bisher nur weniger berühmte Nahmen durch ihre Neigung zu Kunſt und Wiſſenſchaft noch berühmter; ſtiegen dagegen manche aus

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/116>, abgerufen am 22.11.2024.