ser Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬ niß unsrer Kräfte unternahmen wir alles, bemerkten kein qui pro quo, und waren über¬ zeugt, jeder müsse uns dafür nehmen, wofür wir uns gaben. Leider ging alles einen so gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig bleibt. Erst spielten wir die wenigen Stücke durch, in welchen nur Mannspersonen auf¬ treten; dann verkleideten wir einige aus un¬ serm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬ stern mit ins Spiel. In einigen Häusern hielt man es für eine nützliche Beschäfti¬ gung und lud Gesellschaften darauf. Unser Artillerielieutenant verließ uns auch hier nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und gehen, deklamiren und gestikuliren sollten; allein er erntete für seine Bemühung mei¬ stens wenig Dank, indem wir die theatralischen Künste schon besser als er zu verstehen glaubten.
Wir
ſer Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬ niß unſrer Kräfte unternahmen wir alles, bemerkten kein qui pro quo, und waren über¬ zeugt, jeder müſſe uns dafür nehmen, wofür wir uns gaben. Leider ging alles einen ſo gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig bleibt. Erſt ſpielten wir die wenigen Stücke durch, in welchen nur Mannsperſonen auf¬ treten; dann verkleideten wir einige aus un¬ ſerm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬ ſtern mit ins Spiel. In einigen Häuſern hielt man es für eine nützliche Beſchäfti¬ gung und lud Geſellſchaften darauf. Unſer Artillerielieutenant verließ uns auch hier nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und gehen, deklamiren und geſtikuliren ſollten; allein er erntete für ſeine Bemühung mei¬ ſtens wenig Dank, indem wir die theatraliſchen Künſte ſchon beſſer als er zu verſtehen glaubten.
Wir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0072"n="64"/>ſer Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬<lb/>
niß unſrer Kräfte unternahmen wir alles,<lb/>
bemerkten kein <hirendition="#aq">qui pro quo</hi>, und waren über¬<lb/>
zeugt, jeder müſſe uns dafür nehmen, wofür<lb/>
wir uns gaben. Leider ging alles einen ſo<lb/>
gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine<lb/>
merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig<lb/>
bleibt. Erſt ſpielten wir die wenigen Stücke<lb/>
durch, in welchen nur Mannsperſonen auf¬<lb/>
treten; dann verkleideten wir einige aus un¬<lb/>ſerm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬<lb/>ſtern mit ins Spiel. In einigen Häuſern<lb/>
hielt man es für eine nützliche Beſchäfti¬<lb/>
gung und lud Geſellſchaften darauf. Unſer<lb/>
Artillerielieutenant verließ uns auch hier<lb/>
nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und<lb/>
gehen, deklamiren und geſtikuliren ſollten;<lb/>
allein er erntete für ſeine Bemühung mei¬<lb/>ſtens wenig Dank, indem wir die theatraliſchen<lb/>
Künſte ſchon beſſer als er zu verſtehen glaubten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wir<lb/></fw></div></div></div></body></text></TEI>
[64/0072]
ſer Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬
niß unſrer Kräfte unternahmen wir alles,
bemerkten kein qui pro quo, und waren über¬
zeugt, jeder müſſe uns dafür nehmen, wofür
wir uns gaben. Leider ging alles einen ſo
gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine
merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig
bleibt. Erſt ſpielten wir die wenigen Stücke
durch, in welchen nur Mannsperſonen auf¬
treten; dann verkleideten wir einige aus un¬
ſerm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬
ſtern mit ins Spiel. In einigen Häuſern
hielt man es für eine nützliche Beſchäfti¬
gung und lud Geſellſchaften darauf. Unſer
Artillerielieutenant verließ uns auch hier
nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und
gehen, deklamiren und geſtikuliren ſollten;
allein er erntete für ſeine Bemühung mei¬
ſtens wenig Dank, indem wir die theatraliſchen
Künſte ſchon beſſer als er zu verſtehen glaubten.
Wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/72>, abgerufen am 09.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.