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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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ser Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬
niß unsrer Kräfte unternahmen wir alles,
bemerkten kein qui pro quo, und waren über¬
zeugt, jeder müsse uns dafür nehmen, wofür
wir uns gaben. Leider ging alles einen so
gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine
merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig
bleibt. Erst spielten wir die wenigen Stücke
durch, in welchen nur Mannspersonen auf¬
treten; dann verkleideten wir einige aus un¬
serm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬
stern mit ins Spiel. In einigen Häusern
hielt man es für eine nützliche Beschäfti¬
gung und lud Gesellschaften darauf. Unser
Artillerielieutenant verließ uns auch hier
nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und
gehen, deklamiren und gestikuliren sollten;
allein er erntete für seine Bemühung mei¬
stens wenig Dank, indem wir die theatralischen
Künste schon besser als er zu verstehen glaubten.

Wir

ſer Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬
niß unſrer Kräfte unternahmen wir alles,
bemerkten kein qui pro quo, und waren über¬
zeugt, jeder müſſe uns dafür nehmen, wofür
wir uns gaben. Leider ging alles einen ſo
gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine
merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig
bleibt. Erſt ſpielten wir die wenigen Stücke
durch, in welchen nur Mannsperſonen auf¬
treten; dann verkleideten wir einige aus un¬
ſerm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬
ſtern mit ins Spiel. In einigen Häuſern
hielt man es für eine nützliche Beſchäfti¬
gung und lud Geſellſchaften darauf. Unſer
Artillerielieutenant verließ uns auch hier
nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und
gehen, deklamiren und geſtikuliren ſollten;
allein er erntete für ſeine Bemühung mei¬
ſtens wenig Dank, indem wir die theatraliſchen
Künſte ſchon beſſer als er zu verſtehen glaubten.

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[64/0072] ſer Privattheater. Bey der völligen Unkennt¬ niß unſrer Kräfte unternahmen wir alles, bemerkten kein qui pro quo, und waren über¬ zeugt, jeder müſſe uns dafür nehmen, wofür wir uns gaben. Leider ging alles einen ſo gemeinen Gang, daß mir nicht einmal eine merkwürdige Albernheit zu erzählen übrig bleibt. Erſt ſpielten wir die wenigen Stücke durch, in welchen nur Mannsperſonen auf¬ treten; dann verkleideten wir einige aus un¬ ſerm Mittel, und zogen zuletzt die Schwe¬ ſtern mit ins Spiel. In einigen Häuſern hielt man es für eine nützliche Beſchäfti¬ gung und lud Geſellſchaften darauf. Unſer Artillerielieutenant verließ uns auch hier nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und gehen, deklamiren und geſtikuliren ſollten; allein er erntete für ſeine Bemühung mei¬ ſtens wenig Dank, indem wir die theatraliſchen Künſte ſchon beſſer als er zu verſtehen glaubten. Wir

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/72>, abgerufen am 09.11.2024.