Als wenn es dessen bedürfte! rief Wil¬ helm aus. Ich liebe dieses zärtliche, gute, liebliche Geschöpf so sehr, daß mich jeder Au¬ genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬ ne sie zugebracht habe. Laß mich wenigstens durch die Einbildungskraft Theil an deinem vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬ les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen uns wo möglich täuschen, und jene für die Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen suchen.
Wenn Sie so eifrig darauf bestehen, kön¬ nen wir Sie wohl befriedigen, sagte die Al¬ te. Erzählen Sie uns nur erst, wie Ihre Liebhaberey zum Schauspiele nach und nach gewachsen sey, wie Sie Sich geübt, wie Sie so glücklich zugenommen haben, daß Sie nunmehr für einen guten Schauspieler gelten
W. Meisters Lehrj. D
Sache auch ein ſolches Geſchick zu geben wüßten?
Als wenn es deſſen bedürfte! rief Wil¬ helm aus. Ich liebe dieſes zärtliche, gute, liebliche Geſchöpf ſo ſehr, daß mich jeder Au¬ genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬ ne ſie zugebracht habe. Laß mich wenigſtens durch die Einbildungskraft Theil an deinem vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬ les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen uns wo möglich täuſchen, und jene für die Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen ſuchen.
Wenn Sie ſo eifrig darauf beſtehen, kön¬ nen wir Sie wohl befriedigen, ſagte die Al¬ te. Erzählen Sie uns nur erſt, wie Ihre Liebhaberey zum Schauſpiele nach und nach gewachſen ſey, wie Sie Sich geübt, wie Sie ſo glücklich zugenommen haben, daß Sie nunmehr für einen guten Schauſpieler gelten
W. Meiſters Lehrj. D
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0057"n="49"/>
Sache auch ein ſolches Geſchick zu geben<lb/>
wüßten?</p><lb/><p>Als wenn es deſſen bedürfte! rief Wil¬<lb/>
helm aus. Ich liebe dieſes zärtliche, gute,<lb/>
liebliche Geſchöpf ſo ſehr, daß mich jeder Au¬<lb/>
genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬<lb/>
ne ſie zugebracht habe. Laß mich wenigſtens<lb/>
durch die Einbildungskraft Theil an deinem<lb/>
vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬<lb/>
les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen<lb/>
uns wo möglich täuſchen, und jene für die<lb/>
Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen<lb/>ſuchen.</p><lb/><p>Wenn Sie ſo eifrig darauf beſtehen, kön¬<lb/>
nen wir Sie wohl befriedigen, ſagte die Al¬<lb/>
te. Erzählen Sie uns nur erſt, wie Ihre<lb/>
Liebhaberey zum Schauſpiele nach und nach<lb/>
gewachſen ſey, wie Sie Sich geübt, wie Sie<lb/>ſo glücklich zugenommen haben, daß Sie<lb/>
nunmehr für einen guten Schauſpieler gelten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">W. Meiſters Lehrj. D<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[49/0057]
Sache auch ein ſolches Geſchick zu geben
wüßten?
Als wenn es deſſen bedürfte! rief Wil¬
helm aus. Ich liebe dieſes zärtliche, gute,
liebliche Geſchöpf ſo ſehr, daß mich jeder Au¬
genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬
ne ſie zugebracht habe. Laß mich wenigſtens
durch die Einbildungskraft Theil an deinem
vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬
les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen
uns wo möglich täuſchen, und jene für die
Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen
ſuchen.
Wenn Sie ſo eifrig darauf beſtehen, kön¬
nen wir Sie wohl befriedigen, ſagte die Al¬
te. Erzählen Sie uns nur erſt, wie Ihre
Liebhaberey zum Schauſpiele nach und nach
gewachſen ſey, wie Sie Sich geübt, wie Sie
ſo glücklich zugenommen haben, daß Sie
nunmehr für einen guten Schauſpieler gelten
W. Meiſters Lehrj. D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/57>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.