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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Sache auch ein solches Geschick zu geben
wüßten?

Als wenn es dessen bedürfte! rief Wil¬
helm aus. Ich liebe dieses zärtliche, gute,
liebliche Geschöpf so sehr, daß mich jeder Au¬
genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬
ne sie zugebracht habe. Laß mich wenigstens
durch die Einbildungskraft Theil an deinem
vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬
les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen
uns wo möglich täuschen, und jene für die
Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen
suchen.

Wenn Sie so eifrig darauf bestehen, kön¬
nen wir Sie wohl befriedigen, sagte die Al¬
te. Erzählen Sie uns nur erst, wie Ihre
Liebhaberey zum Schauspiele nach und nach
gewachsen sey, wie Sie Sich geübt, wie Sie
so glücklich zugenommen haben, daß Sie
nunmehr für einen guten Schauspieler gelten

W. Meisters Lehrj. D

Sache auch ein ſolches Geſchick zu geben
wüßten?

Als wenn es deſſen bedürfte! rief Wil¬
helm aus. Ich liebe dieſes zärtliche, gute,
liebliche Geſchöpf ſo ſehr, daß mich jeder Au¬
genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬
ne ſie zugebracht habe. Laß mich wenigſtens
durch die Einbildungskraft Theil an deinem
vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬
les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen
uns wo möglich täuſchen, und jene für die
Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen
ſuchen.

Wenn Sie ſo eifrig darauf beſtehen, kön¬
nen wir Sie wohl befriedigen, ſagte die Al¬
te. Erzählen Sie uns nur erſt, wie Ihre
Liebhaberey zum Schauſpiele nach und nach
gewachſen ſey, wie Sie Sich geübt, wie Sie
ſo glücklich zugenommen haben, daß Sie
nunmehr für einen guten Schauſpieler gelten

W. Meiſters Lehrj. D
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[49/0057] Sache auch ein ſolches Geſchick zu geben wüßten? Als wenn es deſſen bedürfte! rief Wil¬ helm aus. Ich liebe dieſes zärtliche, gute, liebliche Geſchöpf ſo ſehr, daß mich jeder Au¬ genblick meines Lebens verdrießt, den ich oh¬ ne ſie zugebracht habe. Laß mich wenigſtens durch die Einbildungskraft Theil an deinem vergangenen Leben nehmen! erzähle mir al¬ les, ich will dir alles erzählen. Wir wollen uns wo möglich täuſchen, und jene für die Liebe verlorne Zeiten wieder zu gewinnen ſuchen. Wenn Sie ſo eifrig darauf beſtehen, kön¬ nen wir Sie wohl befriedigen, ſagte die Al¬ te. Erzählen Sie uns nur erſt, wie Ihre Liebhaberey zum Schauſpiele nach und nach gewachſen ſey, wie Sie Sich geübt, wie Sie ſo glücklich zugenommen haben, daß Sie nunmehr für einen guten Schauſpieler gelten W. Meiſters Lehrj. D

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/57>, abgerufen am 09.05.2024.