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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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helm war überzeugt, es sey kein Wort sei¬
ner Geschichte auf die Erde gefallen. Nach
einer kleinen Pause rief er aus: es ist nun
an dir, Mariane, mir auch deine ersten ju¬
gendlichen Freuden mitzutheilen. Noch wa¬
ren wir immer zu sehr mit dem Gegenwärti¬
gen beschäftigt, als daß wir uns wechselsei¬
tig um unsere vorige Lebensweise hätten be¬
kümmern können, sage mir: unter welchen
Umständen bist du erzogen? Welche sind die
ersten lebhaften Eindrücke, deren du dich er¬
innerst?

Diese Fragen würden Marianen in große
Verlegenheit gesetzt haben, wenn ihr die Alte
nicht sogleich zu Hülfe gekommen wäre.
Glauben Sie denn, sagte das kluge Weib,
daß wir auf das, was uns früh begegnet,
so aufmerksam sind, daß wir so artige Be¬
gebenheiten zu erzählen haben, und, wenn
wir sie zu erzählen hätten, daß wir der

Sache

helm war überzeugt, es ſey kein Wort ſei¬
ner Geſchichte auf die Erde gefallen. Nach
einer kleinen Pauſe rief er aus: es iſt nun
an dir, Mariane, mir auch deine erſten ju¬
gendlichen Freuden mitzutheilen. Noch wa¬
ren wir immer zu ſehr mit dem Gegenwärti¬
gen beſchäftigt, als daß wir uns wechſelſei¬
tig um unſere vorige Lebensweiſe hätten be¬
kümmern können, ſage mir: unter welchen
Umſtänden biſt du erzogen? Welche ſind die
erſten lebhaften Eindrücke, deren du dich er¬
innerſt?

Dieſe Fragen würden Marianen in große
Verlegenheit geſetzt haben, wenn ihr die Alte
nicht ſogleich zu Hülfe gekommen wäre.
Glauben Sie denn, ſagte das kluge Weib,
daß wir auf das, was uns früh begegnet,
ſo aufmerkſam ſind, daß wir ſo artige Be¬
gebenheiten zu erzählen haben, und, wenn
wir ſie zu erzählen hätten, daß wir der

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[48/0056] helm war überzeugt, es ſey kein Wort ſei¬ ner Geſchichte auf die Erde gefallen. Nach einer kleinen Pauſe rief er aus: es iſt nun an dir, Mariane, mir auch deine erſten ju¬ gendlichen Freuden mitzutheilen. Noch wa¬ ren wir immer zu ſehr mit dem Gegenwärti¬ gen beſchäftigt, als daß wir uns wechſelſei¬ tig um unſere vorige Lebensweiſe hätten be¬ kümmern können, ſage mir: unter welchen Umſtänden biſt du erzogen? Welche ſind die erſten lebhaften Eindrücke, deren du dich er¬ innerſt? Dieſe Fragen würden Marianen in große Verlegenheit geſetzt haben, wenn ihr die Alte nicht ſogleich zu Hülfe gekommen wäre. Glauben Sie denn, ſagte das kluge Weib, daß wir auf das, was uns früh begegnet, ſo aufmerkſam ſind, daß wir ſo artige Be¬ gebenheiten zu erzählen haben, und, wenn wir ſie zu erzählen hätten, daß wir der Sache

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/56>, abgerufen am 24.11.2024.