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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Buchstaben blieben ungleich, und die Linien
krumm. Auch hier schien ihr Körper dem
Geiste zu widersprechen. Wilhelm, dem die
Aufmerksamkeit des Kindes, wenn er ruhigen
Sinnes war, große Freude machte, achtete
dießmal wenig auf das, was sie ihm zeigte;
sie fühlte es, und betrübte sich darüber nur
destomehr, als sie glaubte, dießmal ihre
Sache recht gut gemacht zu haben.

Wilhelms Unruhe trieb ihn auf den Gän¬
gen des Hauses auf und ab, und bald wie¬
der an die Hausthüre. Ein Reiter sprengte
vor, der ein gutes Ansehn hatte, und der
bey gesetzten Jahren noch viel Munterkeit
verrieth. Der Wirth eilte ihm entgegen,
reichte ihm als einem bekannten Freunde die
Hand, und rief: ey, Herr Stallmeister, sieht
man Sie auch einmal wieder?

Ich will nur hier füttern, versetzte der
Fremde, ich muß gleich hinüber auf das

Buchſtaben blieben ungleich, und die Linien
krumm. Auch hier ſchien ihr Körper dem
Geiſte zu widerſprechen. Wilhelm, dem die
Aufmerkſamkeit des Kindes, wenn er ruhigen
Sinnes war, große Freude machte, achtete
dießmal wenig auf das, was ſie ihm zeigte;
ſie fühlte es, und betrübte ſich darüber nur
deſtomehr, als ſie glaubte, dießmal ihre
Sache recht gut gemacht zu haben.

Wilhelms Unruhe trieb ihn auf den Gän¬
gen des Hauſes auf und ab, und bald wie¬
der an die Hausthüre. Ein Reiter ſprengte
vor, der ein gutes Anſehn hatte, und der
bey geſetzten Jahren noch viel Munterkeit
verrieth. Der Wirth eilte ihm entgegen,
reichte ihm als einem bekannten Freunde die
Hand, und rief: ey, Herr Stallmeiſter, ſieht
man Sie auch einmal wieder?

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Fremde, ich muß gleich hinüber auf das

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[343/0351] Buchſtaben blieben ungleich, und die Linien krumm. Auch hier ſchien ihr Körper dem Geiſte zu widerſprechen. Wilhelm, dem die Aufmerkſamkeit des Kindes, wenn er ruhigen Sinnes war, große Freude machte, achtete dießmal wenig auf das, was ſie ihm zeigte; ſie fühlte es, und betrübte ſich darüber nur deſtomehr, als ſie glaubte, dießmal ihre Sache recht gut gemacht zu haben. Wilhelms Unruhe trieb ihn auf den Gän¬ gen des Hauſes auf und ab, und bald wie¬ der an die Hausthüre. Ein Reiter ſprengte vor, der ein gutes Anſehn hatte, und der bey geſetzten Jahren noch viel Munterkeit verrieth. Der Wirth eilte ihm entgegen, reichte ihm als einem bekannten Freunde die Hand, und rief: ey, Herr Stallmeiſter, ſieht man Sie auch einmal wieder? Ich will nur hier füttern, verſetzte der Fremde, ich muß gleich hinüber auf das

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/351>, abgerufen am 22.11.2024.