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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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von Zelt, hinter aufgespannten rothen Vor¬
hängen hervor, und erfüllten durch ihre an¬
genehme Gestalt und zierlichen Putz die bis¬
her glücklich genährte Hoffnung der Zu¬
schauer. Er, ein munteres Bürschchen von
mittlerer Größe, schwarzen Augen und einem
starken Haarzopf; sie, nicht weniger niedlich
doch stark gebildet; beide zeigten sich nach
einander auf dem Seile mit leichten Bewe¬
gungen, Sprüngen und seltsamen Posituren.
Ihre Leichtigkeit, seine Verwegenheit, die
Genauigkeit, womit beide ihre Kunststücke
ausführten, erhöhten mit jedem Schritt und
Sprung das allgemeine Vergnügen. Der
Anstand, womit sie sich betrugen, die anschei¬
nende Bemühungen der andern um sie, ga¬
ben ihnen das Ansehn, als wenn sie Herr
und Meister der ganzen Truppe wären, und
jedermann hielt sie des Ranges werth.

Die Begeisterung des Volks theilte sich

W. Meisters Lehrj. Q

von Zelt, hinter aufgeſpannten rothen Vor¬
hängen hervor, und erfüllten durch ihre an¬
genehme Geſtalt und zierlichen Putz die bis¬
her glücklich genährte Hoffnung der Zu¬
ſchauer. Er, ein munteres Bürſchchen von
mittlerer Größe, ſchwarzen Augen und einem
ſtarken Haarzopf; ſie, nicht weniger niedlich
doch ſtark gebildet; beide zeigten ſich nach
einander auf dem Seile mit leichten Bewe¬
gungen, Sprüngen und ſeltſamen Poſituren.
Ihre Leichtigkeit, ſeine Verwegenheit, die
Genauigkeit, womit beide ihre Kunſtſtücke
ausführten, erhöhten mit jedem Schritt und
Sprung das allgemeine Vergnügen. Der
Anſtand, womit ſie ſich betrugen, die anſchei¬
nende Bemühungen der andern um ſie, ga¬
ben ihnen das Anſehn, als wenn ſie Herr
und Meiſter der ganzen Truppe wären, und
jedermann hielt ſie des Ranges werth.

Die Begeiſterung des Volks theilte ſich

W. Meiſters Lehrj. Q
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[241/0249] von Zelt, hinter aufgeſpannten rothen Vor¬ hängen hervor, und erfüllten durch ihre an¬ genehme Geſtalt und zierlichen Putz die bis¬ her glücklich genährte Hoffnung der Zu¬ ſchauer. Er, ein munteres Bürſchchen von mittlerer Größe, ſchwarzen Augen und einem ſtarken Haarzopf; ſie, nicht weniger niedlich doch ſtark gebildet; beide zeigten ſich nach einander auf dem Seile mit leichten Bewe¬ gungen, Sprüngen und ſeltſamen Poſituren. Ihre Leichtigkeit, ſeine Verwegenheit, die Genauigkeit, womit beide ihre Kunſtſtücke ausführten, erhöhten mit jedem Schritt und Sprung das allgemeine Vergnügen. Der Anſtand, womit ſie ſich betrugen, die anſchei¬ nende Bemühungen der andern um ſie, ga¬ ben ihnen das Anſehn, als wenn ſie Herr und Meiſter der ganzen Truppe wären, und jedermann hielt ſie des Ranges werth. Die Begeiſterung des Volks theilte ſich W. Meiſters Lehrj. Q

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/249>, abgerufen am 22.11.2024.