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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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lodern der Leidenschaft nicht vermuthet. Et¬
lichemal wollte er seinem Freunde in die
Rede fallen, etlichemal das Gespräch wo an¬
ders hinlenken, vergebens! er widerstand
dem Strome nicht. Auch hier übernahm die
ausdauernde Freundschaft wieder ihr Amt.
Er ließ den heftigsten Anfall des Schmer¬
zens vorüber, indem er, durch seine stille Ge¬
genwart, eine aufrichtige reine Theilnehmung
am besten sehen ließ, und so blieben sie die¬
sen Abend; Wilhelm ins stille Nachgefühl
des Schmerzens versenkt, und der andere
erschreckt durch den neuen Ausbruch einer
Leidenschaft, die er lange bemeistert und
durch guten Rath und eifriges Zureden über¬
wältigt zu haben glaubte.


lodern der Leidenſchaft nicht vermuthet. Et¬
lichemal wollte er ſeinem Freunde in die
Rede fallen, etlichemal das Geſpräch wo an¬
ders hinlenken, vergebens! er widerſtand
dem Strome nicht. Auch hier übernahm die
ausdauernde Freundſchaft wieder ihr Amt.
Er ließ den heftigſten Anfall des Schmer¬
zens vorüber, indem er, durch ſeine ſtille Ge¬
genwart, eine aufrichtige reine Theilnehmung
am beſten ſehen ließ, und ſo blieben ſie die¬
ſen Abend; Wilhelm ins ſtille Nachgefühl
des Schmerzens verſenkt, und der andere
erſchreckt durch den neuen Ausbruch einer
Leidenſchaft, die er lange bemeiſtert und
durch guten Rath und eifriges Zureden über¬
wältigt zu haben glaubte.


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[212/0220] lodern der Leidenſchaft nicht vermuthet. Et¬ lichemal wollte er ſeinem Freunde in die Rede fallen, etlichemal das Geſpräch wo an¬ ders hinlenken, vergebens! er widerſtand dem Strome nicht. Auch hier übernahm die ausdauernde Freundſchaft wieder ihr Amt. Er ließ den heftigſten Anfall des Schmer¬ zens vorüber, indem er, durch ſeine ſtille Ge¬ genwart, eine aufrichtige reine Theilnehmung am beſten ſehen ließ, und ſo blieben ſie die¬ ſen Abend; Wilhelm ins ſtille Nachgefühl des Schmerzens verſenkt, und der andere erſchreckt durch den neuen Ausbruch einer Leidenſchaft, die er lange bemeiſtert und durch guten Rath und eifriges Zureden über¬ wältigt zu haben glaubte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/220>, abgerufen am 08.05.2024.