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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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stände sehen, die uns unterhalten, aufklären
und erheben. --

Mach' es nur mäßig, sagte die Mutter:
der Vater will auch Abends unterhalten seyn,
und dann glaubt er, es zerstreue dich, und
am Ende trag ich, wenn er verdrießlich wird,
die Schuld. Wie oft mußte ich mir das
verwünschte Puppenspiel vorwerfen lassen,
das ich euch vor zwölf Jahren zum heiligen
Christ gab, und das euch zuerst Geschmack
am Schauspiele beybrachte!

Schelten Sie das Puppenspiel nicht, las¬
sen Sie sich Ihre Liebe und Vorsorge nicht
gereuen. Es waren die ersten vergnügten
Augenblicke, die ich in dem neuen leeren
Hause genoß, ich sehe es diesen Augenblick
noch vor mir, ich weiß, wie sonderbar es
mir vorkam, als man uns, nach Empfang
der gewöhnlichen Christgeschenke, vor einer
Thüre niedersitzen hieß, die aus einem andern

ſtände ſehen, die uns unterhalten, aufklären
und erheben. —

Mach' es nur mäßig, ſagte die Mutter:
der Vater will auch Abends unterhalten ſeyn,
und dann glaubt er, es zerſtreue dich, und
am Ende trag ich, wenn er verdrießlich wird,
die Schuld. Wie oft mußte ich mir das
verwünſchte Puppenſpiel vorwerfen laſſen,
das ich euch vor zwölf Jahren zum heiligen
Chriſt gab, und das euch zuerſt Geſchmack
am Schauſpiele beybrachte!

Schelten Sie das Puppenſpiel nicht, laſ¬
ſen Sie ſich Ihre Liebe und Vorſorge nicht
gereuen. Es waren die erſten vergnügten
Augenblicke, die ich in dem neuen leeren
Hauſe genoß, ich ſehe es dieſen Augenblick
noch vor mir, ich weiß, wie ſonderbar es
mir vorkam, als man uns, nach Empfang
der gewöhnlichen Chriſtgeſchenke, vor einer
Thüre niederſitzen hieß, die aus einem andern

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[12/0020] ſtände ſehen, die uns unterhalten, aufklären und erheben. — Mach' es nur mäßig, ſagte die Mutter: der Vater will auch Abends unterhalten ſeyn, und dann glaubt er, es zerſtreue dich, und am Ende trag ich, wenn er verdrießlich wird, die Schuld. Wie oft mußte ich mir das verwünſchte Puppenſpiel vorwerfen laſſen, das ich euch vor zwölf Jahren zum heiligen Chriſt gab, und das euch zuerſt Geſchmack am Schauſpiele beybrachte! Schelten Sie das Puppenſpiel nicht, laſ¬ ſen Sie ſich Ihre Liebe und Vorſorge nicht gereuen. Es waren die erſten vergnügten Augenblicke, die ich in dem neuen leeren Hauſe genoß, ich ſehe es dieſen Augenblick noch vor mir, ich weiß, wie ſonderbar es mir vorkam, als man uns, nach Empfang der gewöhnlichen Chriſtgeſchenke, vor einer Thüre niederſitzen hieß, die aus einem andern

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/20>, abgerufen am 27.04.2024.