daß Wilhelm vor einiger Zeit eine Schauspiele¬ rin öffentlich besucht, mit ihr auf dem Thea¬ ter gesprochen und sie nach Hause gebracht habe; er wäre trostlos gewesen, wenn ihm auch die nächtlichen Zusammenkünfte bekannt geworden wären; denn er hörte, daß Ma¬ riane ein verführerisches Mädchen sey, die seinen Freund wahrscheinlich ums Geld brin¬ ge, und sich noch nebenher von dem unwür¬ digsten Liebhaber unterhalten lasse.
Sobald er seinen Verdacht so viel mög¬ lich zur Gewißheit erhoben, beschloß er einen Angriff auf Wilhelmen, und war mit allen Anstalten völlig in Bereitschaft, als dieser eben verdrießlich und verstimmt von seiner Reise zurückkam.
Werner trug ihm noch denselbigen Abend alles, was er wußte, erst gelassen, dann mit dem dringenden Ernste einer wohldenkenden Freundschaft vor, ließ keinen Zug unbestimmt,
daß Wilhelm vor einiger Zeit eine Schauſpiele¬ rin öffentlich beſucht, mit ihr auf dem Thea¬ ter geſprochen und ſie nach Hauſe gebracht habe; er wäre troſtlos geweſen, wenn ihm auch die nächtlichen Zuſammenkünfte bekannt geworden wären; denn er hörte, daß Ma¬ riane ein verführeriſches Mädchen ſey, die ſeinen Freund wahrſcheinlich ums Geld brin¬ ge, und ſich noch nebenher von dem unwür¬ digſten Liebhaber unterhalten laſſe.
Sobald er ſeinen Verdacht ſo viel mög¬ lich zur Gewißheit erhoben, beſchloß er einen Angriff auf Wilhelmen, und war mit allen Anſtalten völlig in Bereitſchaft, als dieſer eben verdrießlich und verſtimmt von ſeiner Reiſe zurückkam.
Werner trug ihm noch denſelbigen Abend alles, was er wußte, erſt gelaſſen, dann mit dem dringenden Ernſte einer wohldenkenden Freundſchaft vor, ließ keinen Zug unbeſtimmt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0154"n="146"/>
daß Wilhelm vor einiger Zeit eine Schauſpiele¬<lb/>
rin öffentlich beſucht, mit ihr auf dem Thea¬<lb/>
ter geſprochen und ſie nach Hauſe gebracht<lb/>
habe; er wäre troſtlos geweſen, wenn ihm<lb/>
auch die nächtlichen Zuſammenkünfte bekannt<lb/>
geworden wären; denn er hörte, daß Ma¬<lb/>
riane ein verführeriſches Mädchen ſey, die<lb/>ſeinen Freund wahrſcheinlich ums Geld brin¬<lb/>
ge, und ſich noch nebenher von dem unwür¬<lb/>
digſten Liebhaber unterhalten laſſe.</p><lb/><p>Sobald er ſeinen Verdacht ſo viel mög¬<lb/>
lich zur Gewißheit erhoben, beſchloß er einen<lb/>
Angriff auf Wilhelmen, und war mit allen<lb/>
Anſtalten völlig in Bereitſchaft, als dieſer<lb/>
eben verdrießlich und verſtimmt von ſeiner<lb/>
Reiſe zurückkam.</p><lb/><p>Werner trug ihm noch denſelbigen Abend<lb/>
alles, was er wußte, erſt gelaſſen, dann mit<lb/>
dem dringenden Ernſte einer wohldenkenden<lb/>
Freundſchaft vor, ließ keinen Zug unbeſtimmt,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[146/0154]
daß Wilhelm vor einiger Zeit eine Schauſpiele¬
rin öffentlich beſucht, mit ihr auf dem Thea¬
ter geſprochen und ſie nach Hauſe gebracht
habe; er wäre troſtlos geweſen, wenn ihm
auch die nächtlichen Zuſammenkünfte bekannt
geworden wären; denn er hörte, daß Ma¬
riane ein verführeriſches Mädchen ſey, die
ſeinen Freund wahrſcheinlich ums Geld brin¬
ge, und ſich noch nebenher von dem unwür¬
digſten Liebhaber unterhalten laſſe.
Sobald er ſeinen Verdacht ſo viel mög¬
lich zur Gewißheit erhoben, beſchloß er einen
Angriff auf Wilhelmen, und war mit allen
Anſtalten völlig in Bereitſchaft, als dieſer
eben verdrießlich und verſtimmt von ſeiner
Reiſe zurückkam.
Werner trug ihm noch denſelbigen Abend
alles, was er wußte, erſt gelaſſen, dann mit
dem dringenden Ernſte einer wohldenkenden
Freundſchaft vor, ließ keinen Zug unbeſtimmt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/154>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.