chen, das den Müttern unserer Schönen gar nicht unangenehm in die Ohren klang. Auch meiner Mutter war ein solcher Zufall nicht zuwider: sie begünstigte schon früher das Frau¬ enzimmer, mit dem ich in ein so seltsames Verhältniß gekommen war, und mochte ihr zutrauen, daß sie eine eben so gute Schwie¬ gertochter als Gattinn werden könnte. Je¬ nes unbestimmte Rumoren, in welchem ich mich schon seit geraumer Zeit herumtrieb, wollte ihr nicht behagen, und wirklich hatte sie auch die größte Beschwerde davon. Sie war es, welche die zuströmenden Gäste reich¬ lich bewirthen mußte, ohne sich für die lite¬ rarische Einquartirung anders als durch die Ehre, die man ihrem Sohne anthat ihn zu beschmausen, entschädigt zu sehen. Ferner war es ihr klar, daß so viele junge Leute, sämmtlich ohne Vermögen, nicht allein zum Wissen und Dichten, sondern auch zum lusti¬ gen Leben versammelt, sich unter einander und
chen, das den Muͤttern unſerer Schoͤnen gar nicht unangenehm in die Ohren klang. Auch meiner Mutter war ein ſolcher Zufall nicht zuwider: ſie beguͤnſtigte ſchon fruͤher das Frau¬ enzimmer, mit dem ich in ein ſo ſeltſames Verhaͤltniß gekommen war, und mochte ihr zutrauen, daß ſie eine eben ſo gute Schwie¬ gertochter als Gattinn werden koͤnnte. Je¬ nes unbeſtimmte Rumoren, in welchem ich mich ſchon ſeit geraumer Zeit herumtrieb, wollte ihr nicht behagen, und wirklich hatte ſie auch die groͤßte Beſchwerde davon. Sie war es, welche die zuſtroͤmenden Gaͤſte reich¬ lich bewirthen mußte, ohne ſich fuͤr die lite¬ rariſche Einquartirung anders als durch die Ehre, die man ihrem Sohne anthat ihn zu beſchmauſen, entſchaͤdigt zu ſehen. Ferner war es ihr klar, daß ſo viele junge Leute, ſaͤmmtlich ohne Vermoͤgen, nicht allein zum Wiſſen und Dichten, ſondern auch zum luſti¬ gen Leben verſammelt, ſich unter einander und
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chen, das den Muͤttern unſerer Schoͤnen gar
nicht unangenehm in die Ohren klang. Auch
meiner Mutter war ein ſolcher Zufall nicht
zuwider: ſie beguͤnſtigte ſchon fruͤher das Frau¬
enzimmer, mit dem ich in ein ſo ſeltſames
Verhaͤltniß gekommen war, und mochte ihr
zutrauen, daß ſie eine eben ſo gute Schwie¬
gertochter als Gattinn werden koͤnnte. Je¬
nes unbeſtimmte Rumoren, in welchem ich
mich ſchon ſeit geraumer Zeit herumtrieb,
wollte ihr nicht behagen, und wirklich hatte
ſie auch die groͤßte Beſchwerde davon. Sie
war es, welche die zuſtroͤmenden Gaͤſte reich¬
lich bewirthen mußte, ohne ſich fuͤr die lite¬
rariſche Einquartirung anders als durch die
Ehre, die man ihrem Sohne anthat ihn zu
beſchmauſen, entſchaͤdigt zu ſehen. Ferner
war es ihr klar, daß ſo viele junge Leute,
ſaͤmmtlich ohne Vermoͤgen, nicht allein zum
Wiſſen und Dichten, ſondern auch zum luſti¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/543>, abgerufen am 28.11.2024.
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