daß Lavater und Basedow geistige, ja geist¬ liche Mittel zu irdischen Zwecken gebrauchten. Mir, der ich mein Talent und meine Tage absichtslos vergeudete, mußte schnell auffallen, daß beyde Männer, jeder auf seine Art, in¬ dem sie zu lehren, zu unterrichten und zu überzeugen bemüht waren, doch auch gewisse Absichten im Hinterhalte verbargen, an deren Beförderung ihnen sehr gelegen war. Lavater ging zart und klug, Basedow heftig, frevel¬ haft, sogar plump zu Werke; auch waren bey¬ de von ihren Liebhabereyen, Unternehmungen und von der Vortrefflichkeit ihres Treibens so überzeugt, daß man sie für redliche Männer halten, sie lieben und verehren mußte. Lava¬ tern besonders konnte man zum Ruhme nach¬ sagen, daß er wirklich höhere Zwecke hatte und, wenn er weltklug handelte, wohl glau¬ ben durfte, der Zweck heilige die Mittel. Indem ich nun beyde beobachtete, ja ihnen frey heraus meine Meynung gestand, und die
daß Lavater und Baſedow geiſtige, ja geiſt¬ liche Mittel zu irdiſchen Zwecken gebrauchten. Mir, der ich mein Talent und meine Tage abſichtslos vergeudete, mußte ſchnell auffallen, daß beyde Maͤnner, jeder auf ſeine Art, in¬ dem ſie zu lehren, zu unterrichten und zu uͤberzeugen bemuͤht waren, doch auch gewiſſe Abſichten im Hinterhalte verbargen, an deren Befoͤrderung ihnen ſehr gelegen war. Lavater ging zart und klug, Baſedow heftig, frevel¬ haft, ſogar plump zu Werke; auch waren bey¬ de von ihren Liebhabereyen, Unternehmungen und von der Vortrefflichkeit ihres Treibens ſo uͤberzeugt, daß man ſie fuͤr redliche Maͤnner halten, ſie lieben und verehren mußte. Lava¬ tern beſonders konnte man zum Ruhme nach¬ ſagen, daß er wirklich hoͤhere Zwecke hatte und, wenn er weltklug handelte, wohl glau¬ ben durfte, der Zweck heilige die Mittel. Indem ich nun beyde beobachtete, ja ihnen frey heraus meine Meynung geſtand, und die
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daß Lavater und Baſedow geiſtige, ja geiſt¬
liche Mittel zu irdiſchen Zwecken gebrauchten.
Mir, der ich mein Talent und meine Tage
abſichtslos vergeudete, mußte ſchnell auffallen,
daß beyde Maͤnner, jeder auf ſeine Art, in¬
dem ſie zu lehren, zu unterrichten und zu
uͤberzeugen bemuͤht waren, doch auch gewiſſe
Abſichten im Hinterhalte verbargen, an deren
Befoͤrderung ihnen ſehr gelegen war. Lavater
ging zart und klug, Baſedow heftig, frevel¬
haft, ſogar plump zu Werke; auch waren bey¬
de von ihren Liebhabereyen, Unternehmungen
und von der Vortrefflichkeit ihres Treibens ſo
uͤberzeugt, daß man ſie fuͤr redliche Maͤnner
halten, ſie lieben und verehren mußte. Lava¬
tern beſonders konnte man zum Ruhme nach¬
ſagen, daß er wirklich hoͤhere Zwecke hatte
und, wenn er weltklug handelte, wohl glau¬
ben durfte, der Zweck heilige die Mittel.
Indem ich nun beyde beobachtete, ja ihnen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/458>, abgerufen am 27.11.2024.
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