Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne Vorgefühl, daß unser Streben eine ent¬
gegengesetzte Richtung nehmen werde, wie es
sich im Laufe des Lebens nur allzu sehr offen¬
barte.

Was mir ferner auf dem Rückwege rhein¬
aufwärts begegnet, ist mir ganz aus der Er¬
innerung verschwunden, theils weil der zwey¬
te Anblick der Gegenstände in Gedanken mit
dem ersten zu verfließen pflegt, theils auch,
weil ich, in mich gekehrt, das Viele was ich
erfahren hatte, zurecht zu legen, das was
auf mich gewirkt, zu verarbeiten trachtete.
Von einem wichtigen Resultat, das mir eine
Zeit lang viel Beschäftigung gab, indem es
mich zum Hervorbringen aufforderte, gedenke
ich gegenwärtig zu reden.

Bey meiner überfreyen Gesinnung, bey
meinem völlig zweck- und planlosen Leben und
Handeln, konnte mir nicht verborgen bleiben,

III. 29

ohne Vorgefuͤhl, daß unſer Streben eine ent¬
gegengeſetzte Richtung nehmen werde, wie es
ſich im Laufe des Lebens nur allzu ſehr offen¬
barte.

Was mir ferner auf dem Ruͤckwege rhein¬
aufwaͤrts begegnet, iſt mir ganz aus der Er¬
innerung verſchwunden, theils weil der zwey¬
te Anblick der Gegenſtaͤnde in Gedanken mit
dem erſten zu verfließen pflegt, theils auch,
weil ich, in mich gekehrt, das Viele was ich
erfahren hatte, zurecht zu legen, das was
auf mich gewirkt, zu verarbeiten trachtete.
Von einem wichtigen Reſultat, das mir eine
Zeit lang viel Beſchaͤftigung gab, indem es
mich zum Hervorbringen aufforderte, gedenke
ich gegenwaͤrtig zu reden.

Bey meiner uͤberfreyen Geſinnung, bey
meinem voͤllig zweck- und planloſen Leben und
Handeln, konnte mir nicht verborgen bleiben,

III. 29
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0457" n="449"/>
ohne Vorgefu&#x0364;hl, daß un&#x017F;er Streben eine ent¬<lb/>
gegenge&#x017F;etzte Richtung nehmen werde, wie es<lb/>
&#x017F;ich im Laufe des Lebens nur allzu &#x017F;ehr offen¬<lb/>
barte.</p><lb/>
        <p>Was mir ferner auf dem Ru&#x0364;ckwege rhein¬<lb/>
aufwa&#x0364;rts begegnet, i&#x017F;t mir ganz aus der Er¬<lb/>
innerung ver&#x017F;chwunden, theils weil der zwey¬<lb/>
te Anblick der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde in Gedanken mit<lb/>
dem er&#x017F;ten zu verfließen pflegt, theils auch,<lb/>
weil ich, in mich gekehrt, das Viele was ich<lb/>
erfahren hatte, zurecht zu legen, das was<lb/>
auf mich gewirkt, zu verarbeiten trachtete.<lb/>
Von einem wichtigen Re&#x017F;ultat, das mir eine<lb/>
Zeit lang viel Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung gab, indem es<lb/>
mich zum Hervorbringen aufforderte, gedenke<lb/>
ich gegenwa&#x0364;rtig zu reden.</p><lb/>
        <p>Bey meiner u&#x0364;berfreyen Ge&#x017F;innung, bey<lb/>
meinem vo&#x0364;llig zweck- und planlo&#x017F;en Leben und<lb/>
Handeln, konnte mir nicht verborgen bleiben,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">III. 29<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[449/0457] ohne Vorgefuͤhl, daß unſer Streben eine ent¬ gegengeſetzte Richtung nehmen werde, wie es ſich im Laufe des Lebens nur allzu ſehr offen¬ barte. Was mir ferner auf dem Ruͤckwege rhein¬ aufwaͤrts begegnet, iſt mir ganz aus der Er¬ innerung verſchwunden, theils weil der zwey¬ te Anblick der Gegenſtaͤnde in Gedanken mit dem erſten zu verfließen pflegt, theils auch, weil ich, in mich gekehrt, das Viele was ich erfahren hatte, zurecht zu legen, das was auf mich gewirkt, zu verarbeiten trachtete. Von einem wichtigen Reſultat, das mir eine Zeit lang viel Beſchaͤftigung gab, indem es mich zum Hervorbringen aufforderte, gedenke ich gegenwaͤrtig zu reden. Bey meiner uͤberfreyen Geſinnung, bey meinem voͤllig zweck- und planloſen Leben und Handeln, konnte mir nicht verborgen bleiben, III. 29

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/457
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/457>, abgerufen am 23.11.2024.