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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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originelle, seiner Natur gemäße Richtung ge¬
gen das Unerforschliche höchst willkommen und
gemüthlich. Hier that sich kein Widerstreit
hervor, nicht ein christlicher wie mit Lavater,
nicht ein didactischer wie mit Basedow. Die
Gedanken die mir Jacobi mittheilte, entspran¬
gen unmittelbar aus seinem Gefühl, und wie
eigen war ich durchdrungen, als er mir, mit
unbedingtem Vertrauen, die tiefsten Seelen¬
forderungen nicht verhehlte. Aus einer so
wundersamen Vereinigung von Bedürfniß,
Leidenschaft und Ideen, konnten auch für
mich nur Vorahndungen entspringen dessen,
was mir vielleicht künftig deutlicher werden
sollte. Glücklicher Weise hatte ich mich auch
schon von dieser Seite wo nicht gebildet, doch
bearbeitet und in mich das Daseyn und die
Denkweise eines außerordentlichen Mannes auf¬
genommen, zwar nur unvollständig und wie
auf den Raub, aber ich empfand davon doch
schon bedeutende Wirkungen. Dieser Geist,

originelle, ſeiner Natur gemaͤße Richtung ge¬
gen das Unerforſchliche hoͤchſt willkommen und
gemuͤthlich. Hier that ſich kein Widerſtreit
hervor, nicht ein chriſtlicher wie mit Lavater,
nicht ein didactiſcher wie mit Baſedow. Die
Gedanken die mir Jacobi mittheilte, entſpran¬
gen unmittelbar aus ſeinem Gefuͤhl, und wie
eigen war ich durchdrungen, als er mir, mit
unbedingtem Vertrauen, die tiefſten Seelen¬
forderungen nicht verhehlte. Aus einer ſo
wunderſamen Vereinigung von Beduͤrfniß,
Leidenſchaft und Ideen, konnten auch fuͤr
mich nur Vorahndungen entſpringen deſſen,
was mir vielleicht kuͤnftig deutlicher werden
ſollte. Gluͤcklicher Weiſe hatte ich mich auch
ſchon von dieſer Seite wo nicht gebildet, doch
bearbeitet und in mich das Daſeyn und die
Denkweiſe eines außerordentlichen Mannes auf¬
genommen, zwar nur unvollſtaͤndig und wie
auf den Raub, aber ich empfand davon doch
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[440/0448] originelle, ſeiner Natur gemaͤße Richtung ge¬ gen das Unerforſchliche hoͤchſt willkommen und gemuͤthlich. Hier that ſich kein Widerſtreit hervor, nicht ein chriſtlicher wie mit Lavater, nicht ein didactiſcher wie mit Baſedow. Die Gedanken die mir Jacobi mittheilte, entſpran¬ gen unmittelbar aus ſeinem Gefuͤhl, und wie eigen war ich durchdrungen, als er mir, mit unbedingtem Vertrauen, die tiefſten Seelen¬ forderungen nicht verhehlte. Aus einer ſo wunderſamen Vereinigung von Beduͤrfniß, Leidenſchaft und Ideen, konnten auch fuͤr mich nur Vorahndungen entſpringen deſſen, was mir vielleicht kuͤnftig deutlicher werden ſollte. Gluͤcklicher Weiſe hatte ich mich auch ſchon von dieſer Seite wo nicht gebildet, doch bearbeitet und in mich das Daſeyn und die Denkweiſe eines außerordentlichen Mannes auf¬ genommen, zwar nur unvollſtaͤndig und wie auf den Raub, aber ich empfand davon doch ſchon bedeutende Wirkungen. Dieſer Geiſt,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/448>, abgerufen am 13.05.2024.