Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.zur Sprache kam, erbot ich mich, meine Ob mich nun gleich die dichterische Dar¬ zur Sprache kam, erbot ich mich, meine Ob mich nun gleich die dichteriſche Dar¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0447" n="439"/> zur Sprache kam, erbot ich mich, meine<lb/> neuſten und liebſten Balladen zu recitiren.<lb/> Der Koͤnig von Thule, und „Es war ein<lb/> Bube frech genung“ thaten gute Wirkung,<lb/> und ich trug ſie um ſo gemuͤthlicher vor, als<lb/> meine Gedichte mir noch ans Herz geknuͤpft<lb/> waren, und nur ſelten uͤber die Lippen ka¬<lb/> men. Denn mich hinderten leicht gewiſſe ge¬<lb/> genwaͤrtige Perſonen, denen mein uͤberzartes<lb/> Gefuͤhl vielleicht unrecht thun mochte; ich<lb/> ward manchmal mitten im Recitiren irre und<lb/> konnte mich nicht wieder zurecht finden. Wie<lb/> oft bin ich nicht deshalb des Eigenſinns und<lb/> eines wunderlichen grillenhaften Weſens ange¬<lb/> klagt worden!</p><lb/> <p>Ob mich nun gleich die dichteriſche Dar¬<lb/> ſtellungsweiſe am meiſten beſchaͤftigte, und<lb/> meinem Naturell eigentlich zuſagte, ſo war<lb/> mir doch auch das Nachdenken uͤber Gegen¬<lb/> ſtaͤnde aller Art nicht fremd, und Jacobi's<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [439/0447]
zur Sprache kam, erbot ich mich, meine
neuſten und liebſten Balladen zu recitiren.
Der Koͤnig von Thule, und „Es war ein
Bube frech genung“ thaten gute Wirkung,
und ich trug ſie um ſo gemuͤthlicher vor, als
meine Gedichte mir noch ans Herz geknuͤpft
waren, und nur ſelten uͤber die Lippen ka¬
men. Denn mich hinderten leicht gewiſſe ge¬
genwaͤrtige Perſonen, denen mein uͤberzartes
Gefuͤhl vielleicht unrecht thun mochte; ich
ward manchmal mitten im Recitiren irre und
konnte mich nicht wieder zurecht finden. Wie
oft bin ich nicht deshalb des Eigenſinns und
eines wunderlichen grillenhaften Weſens ange¬
klagt worden!
Ob mich nun gleich die dichteriſche Dar¬
ſtellungsweiſe am meiſten beſchaͤftigte, und
meinem Naturell eigentlich zuſagte, ſo war
mir doch auch das Nachdenken uͤber Gegen¬
ſtaͤnde aller Art nicht fremd, und Jacobi's
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