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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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nah erwartete. Man führte mich in Jap¬
pachs
Wohnung, wo mir das was ich
sonst nur innerlich zu bilden pflegte, wirklich
und sinnlich entgegentrat. Diese Familie moch¬
te längst ausgestorben seyn, aber in dem Un¬
tergeschoß, das an einen Garten stieß, fan¬
den wir nichts verändert. Ein durch braun¬
rothe Ziegelrauten regelmäßig verziertes Estrich,
hohe geschnitzte Sessel mit ausgenähten Sitzen
und Rücken, Tischblätter, künstlich eingelegt,
auf schweren Füßen, metallene Hängeleuchter,
ein ungeheueres Camin und dem angemessenes
Feuergeräthe, alles mit jenen früheren Ta¬
gen übereinstimmend und in dem ganzen
Raume nichts neu, nichts heutig als wir sel¬
ber. Was nun aber die hiedurch wundersam
aufgeregten Empfindungen überschwenglich ver¬
mehrte und vollendete, war ein großes Fami¬
liengemälde über dem Camin. Der ehmali¬
ge reiche Inhaber dieser Wohnung saß mit
seiner Frau, von Kindern umgeben, abgebil¬

nah erwartete. Man fuͤhrte mich in Jap¬
pachs
Wohnung, wo mir das was ich
ſonſt nur innerlich zu bilden pflegte, wirklich
und ſinnlich entgegentrat. Dieſe Familie moch¬
te laͤngſt ausgeſtorben ſeyn, aber in dem Un¬
tergeſchoß, das an einen Garten ſtieß, fan¬
den wir nichts veraͤndert. Ein durch braun¬
rothe Ziegelrauten regelmaͤßig verziertes Eſtrich,
hohe geſchnitzte Seſſel mit ausgenaͤhten Sitzen
und Ruͤcken, Tiſchblaͤtter, kuͤnſtlich eingelegt,
auf ſchweren Fuͤßen, metallene Haͤngeleuchter,
ein ungeheueres Camin und dem angemeſſenes
Feuergeraͤthe, alles mit jenen fruͤheren Ta¬
gen uͤbereinſtimmend und in dem ganzen
Raume nichts neu, nichts heutig als wir ſel¬
ber. Was nun aber die hiedurch wunderſam
aufgeregten Empfindungen uͤberſchwenglich ver¬
mehrte und vollendete, war ein großes Fami¬
liengemaͤlde uͤber dem Camin. Der ehmali¬
ge reiche Inhaber dieſer Wohnung ſaß mit
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[437/0445] nah erwartete. Man fuͤhrte mich in Jap¬ pachs Wohnung, wo mir das was ich ſonſt nur innerlich zu bilden pflegte, wirklich und ſinnlich entgegentrat. Dieſe Familie moch¬ te laͤngſt ausgeſtorben ſeyn, aber in dem Un¬ tergeſchoß, das an einen Garten ſtieß, fan¬ den wir nichts veraͤndert. Ein durch braun¬ rothe Ziegelrauten regelmaͤßig verziertes Eſtrich, hohe geſchnitzte Seſſel mit ausgenaͤhten Sitzen und Ruͤcken, Tiſchblaͤtter, kuͤnſtlich eingelegt, auf ſchweren Fuͤßen, metallene Haͤngeleuchter, ein ungeheueres Camin und dem angemeſſenes Feuergeraͤthe, alles mit jenen fruͤheren Ta¬ gen uͤbereinſtimmend und in dem ganzen Raume nichts neu, nichts heutig als wir ſel¬ ber. Was nun aber die hiedurch wunderſam aufgeregten Empfindungen uͤberſchwenglich ver¬ mehrte und vollendete, war ein großes Fami¬ liengemaͤlde uͤber dem Camin. Der ehmali¬ ge reiche Inhaber dieſer Wohnung ſaß mit ſeiner Frau, von Kindern umgeben, abgebil¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/445>, abgerufen am 13.05.2024.