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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Alte einen Augenblick nicht aufmerkte, hand¬
habten sie diese saubern Blätter als Brouil¬
lons, und einer zog mit harten Bleystift¬
strichen seine Verbesserungsvorschläge derge¬
stalt derb über das zarte Papier, daß an Wie¬
derherstellung der ersten Reinheit nicht zu den¬
ken war.

Den höchst verdrießlichen Mann, dem
sein Vergnügen so schmählich vereitelt worden,
vermochte ich kaum zu trösten, so sehr ich
ihm auch versicherte, daß ich sie selbst nur
für Entwürfe gehalten, worüber wir spre¬
chen und neue Zeichnungen darauf bauen woll¬
ten. Er ging dem allen ungeachtet höchst ver¬
drießlich weg, und Friedrike dankte mir für
die Aufmerksamkeit gegen den Vater eben so
sehr als für die Geduld bey der Unart der
Mitgäste.

Ich aber kannte keinen Schmerz noch Ver¬
druß in ihrer Nähe. Die Gesellschaft bestand

Alte einen Augenblick nicht aufmerkte, hand¬
habten ſie dieſe ſaubern Blaͤtter als Brouil¬
lons, und einer zog mit harten Bleyſtift¬
ſtrichen ſeine Verbeſſerungsvorſchlaͤge derge¬
ſtalt derb uͤber das zarte Papier, daß an Wie¬
derherſtellung der erſten Reinheit nicht zu den¬
ken war.

Den hoͤchſt verdrießlichen Mann, dem
ſein Vergnuͤgen ſo ſchmaͤhlich vereitelt worden,
vermochte ich kaum zu troͤſten, ſo ſehr ich
ihm auch verſicherte, daß ich ſie ſelbſt nur
fuͤr Entwuͤrfe gehalten, woruͤber wir ſpre¬
chen und neue Zeichnungen darauf bauen woll¬
ten. Er ging dem allen ungeachtet hoͤchſt ver¬
drießlich weg, und Friedrike dankte mir fuͤr
die Aufmerkſamkeit gegen den Vater eben ſo
ſehr als fuͤr die Geduld bey der Unart der
Mitgaͤſte.

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[27/0035] Alte einen Augenblick nicht aufmerkte, hand¬ habten ſie dieſe ſaubern Blaͤtter als Brouil¬ lons, und einer zog mit harten Bleyſtift¬ ſtrichen ſeine Verbeſſerungsvorſchlaͤge derge¬ ſtalt derb uͤber das zarte Papier, daß an Wie¬ derherſtellung der erſten Reinheit nicht zu den¬ ken war. Den hoͤchſt verdrießlichen Mann, dem ſein Vergnuͤgen ſo ſchmaͤhlich vereitelt worden, vermochte ich kaum zu troͤſten, ſo ſehr ich ihm auch verſicherte, daß ich ſie ſelbſt nur fuͤr Entwuͤrfe gehalten, woruͤber wir ſpre¬ chen und neue Zeichnungen darauf bauen woll¬ ten. Er ging dem allen ungeachtet hoͤchſt ver¬ drießlich weg, und Friedrike dankte mir fuͤr die Aufmerkſamkeit gegen den Vater eben ſo ſehr als fuͤr die Geduld bey der Unart der Mitgaͤſte. Ich aber kannte keinen Schmerz noch Ver¬ druß in ihrer Naͤhe. Die Geſellſchaft beſtand

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/35>, abgerufen am 26.04.2024.