ge, der Wurf war einmal gethan, und es fragte sich nur, wie man die Steine im Brett vortheilhaft setzte. Ich sah wohl, daß mir auch hier Niemand rathen würde, und als ich nach einiger Zeit mein Wert wie ein frem¬ des betrachten konnte, so erkannte ich freylich daß ich, bey dem Versuch auf die Einheit der Zeit und des Orts Verzicht zu thun, auch der höheren Einheit, die um desto mehr ge¬ fordert wird, Eintrag gethan hatte. Da ich mich, ohne Plan und Entwurf, bloß der Ein¬ bildungskraft und einem innern Trieb über¬ ließ, so war ich von vorne herein ziemlich bey der Klinge geblieben, und die ersten Acte konnten für das was sie seyn sollten, gar füglich gelten; in den folgenden aber, und besonders gegen das Ende, riß mich eine wundersame Leidenschaft unbewußt hin. Ich hatte mich, indem ich Adelheid liebenswürdig zu schil¬ dern trachtete, selbst in sie verliebt, unwill¬ kührlich war meine Feder nur ihr gewidmet, das Interesse an ihrem Schicksal nahm über¬
ge, der Wurf war einmal gethan, und es fragte ſich nur, wie man die Steine im Brett vortheilhaft ſetzte. Ich ſah wohl, daß mir auch hier Niemand rathen wuͤrde, und als ich nach einiger Zeit mein Wert wie ein frem¬ des betrachten konnte, ſo erkannte ich freylich daß ich, bey dem Verſuch auf die Einheit der Zeit und des Orts Verzicht zu thun, auch der hoͤheren Einheit, die um deſto mehr ge¬ fordert wird, Eintrag gethan hatte. Da ich mich, ohne Plan und Entwurf, bloß der Ein¬ bildungskraft und einem innern Trieb uͤber¬ ließ, ſo war ich von vorne herein ziemlich bey der Klinge geblieben, und die erſten Acte konnten fuͤr das was ſie ſeyn ſollten, gar fuͤglich gelten; in den folgenden aber, und beſonders gegen das Ende, riß mich eine wunderſame Leidenſchaft unbewußt hin. Ich hatte mich, indem ich Adelheid liebenswuͤrdig zu ſchil¬ dern trachtete, ſelbſt in ſie verliebt, unwill¬ kuͤhrlich war meine Feder nur ihr gewidmet, das Intereſſe an ihrem Schickſal nahm uͤber¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0312"n="304"/>
ge, der Wurf war einmal gethan, und es<lb/>
fragte ſich nur, wie man die Steine im Brett<lb/>
vortheilhaft ſetzte. Ich ſah wohl, daß mir<lb/>
auch hier Niemand rathen wuͤrde, und als<lb/>
ich nach einiger Zeit mein Wert wie ein frem¬<lb/>
des betrachten konnte, ſo erkannte ich freylich<lb/>
daß ich, bey dem Verſuch auf die Einheit<lb/>
der Zeit und des Orts Verzicht zu thun, auch<lb/>
der hoͤheren Einheit, die um deſto mehr ge¬<lb/>
fordert wird, Eintrag gethan hatte. Da ich<lb/>
mich, ohne Plan und Entwurf, bloß der Ein¬<lb/>
bildungskraft und einem innern Trieb uͤber¬<lb/>
ließ, ſo war ich von vorne herein ziemlich bey<lb/>
der Klinge geblieben, und die erſten Acte<lb/>
konnten fuͤr das was ſie ſeyn ſollten, gar fuͤglich<lb/>
gelten; in den folgenden aber, und beſonders<lb/>
gegen das Ende, riß mich eine wunderſame<lb/>
Leidenſchaft unbewußt hin. Ich hatte mich,<lb/>
indem ich <hirendition="#g">Adelheid</hi> liebenswuͤrdig zu ſchil¬<lb/>
dern trachtete, ſelbſt in ſie verliebt, unwill¬<lb/>
kuͤhrlich war meine Feder nur ihr gewidmet,<lb/>
das Intereſſe an ihrem Schickſal nahm uͤber¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[304/0312]
ge, der Wurf war einmal gethan, und es
fragte ſich nur, wie man die Steine im Brett
vortheilhaft ſetzte. Ich ſah wohl, daß mir
auch hier Niemand rathen wuͤrde, und als
ich nach einiger Zeit mein Wert wie ein frem¬
des betrachten konnte, ſo erkannte ich freylich
daß ich, bey dem Verſuch auf die Einheit
der Zeit und des Orts Verzicht zu thun, auch
der hoͤheren Einheit, die um deſto mehr ge¬
fordert wird, Eintrag gethan hatte. Da ich
mich, ohne Plan und Entwurf, bloß der Ein¬
bildungskraft und einem innern Trieb uͤber¬
ließ, ſo war ich von vorne herein ziemlich bey
der Klinge geblieben, und die erſten Acte
konnten fuͤr das was ſie ſeyn ſollten, gar fuͤglich
gelten; in den folgenden aber, und beſonders
gegen das Ende, riß mich eine wunderſame
Leidenſchaft unbewußt hin. Ich hatte mich,
indem ich Adelheid liebenswuͤrdig zu ſchil¬
dern trachtete, ſelbſt in ſie verliebt, unwill¬
kuͤhrlich war meine Feder nur ihr gewidmet,
das Intereſſe an ihrem Schickſal nahm uͤber¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/312>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.