Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

er seinen Tag widmet, daß er nicht demun¬
geachtet Abends so viel Zeit fände, das Schau¬
spiel zu besuchen; so ging es auch mir, der
ich, in Ermangelung einer vorzüglichen Büh¬
ne, über das deutsche Theater zu denken nicht
aufhörte, um zu erforschen, wie man auf
demselben allenfalls thätig mitwirken könnte.
Der Zustand desselben in der zweyten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts ist bekannt genug,
und Jederman, der sich davon zu unterrich¬
ten verlangt, findet überall bereite Hülfsmittel.
Ich denke deswegen hier nur einige allgemei¬
ne Bemerkungen einzuschalten.

Das Glück der Bühne beruhte mehr auf
der Persönlichkeit der Schauspieler als auf
dem Werthe der Stücke. Dieß war beson¬
ders bey halb oder ganz extemporirten Stücken
der Fall, wo alles auf den Humor und das
Talent der comischen Schauspieler ankam.
Der Stoff solcher Stücke muß aus dem ge¬
meinsten Leben genommen seyn, den Sitten

er ſeinen Tag widmet, daß er nicht demun¬
geachtet Abends ſo viel Zeit faͤnde, das Schau¬
ſpiel zu beſuchen; ſo ging es auch mir, der
ich, in Ermangelung einer vorzuͤglichen Buͤh¬
ne, uͤber das deutſche Theater zu denken nicht
aufhoͤrte, um zu erforſchen, wie man auf
demſelben allenfalls thaͤtig mitwirken koͤnnte.
Der Zuſtand deſſelben in der zweyten Haͤlfte
des vorigen Jahrhunderts iſt bekannt genug,
und Jederman, der ſich davon zu unterrich¬
ten verlangt, findet uͤberall bereite Huͤlfsmittel.
Ich denke deswegen hier nur einige allgemei¬
ne Bemerkungen einzuſchalten.

Das Gluͤck der Buͤhne beruhte mehr auf
der Perſoͤnlichkeit der Schauſpieler als auf
dem Werthe der Stuͤcke. Dieß war beſon¬
ders bey halb oder ganz extemporirten Stuͤcken
der Fall, wo alles auf den Humor und das
Talent der comiſchen Schauſpieler ankam.
Der Stoff ſolcher Stuͤcke muß aus dem ge¬
meinſten Leben genommen ſeyn, den Sitten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0301" n="293"/>
er &#x017F;einen Tag widmet, daß er nicht demun¬<lb/>
geachtet Abends &#x017F;o viel Zeit fa&#x0364;nde, das Schau¬<lb/>
&#x017F;piel zu be&#x017F;uchen; &#x017F;o ging es auch mir, der<lb/>
ich, in Ermangelung einer vorzu&#x0364;glichen Bu&#x0364;<lb/>
ne, u&#x0364;ber das deut&#x017F;che Theater zu denken nicht<lb/>
aufho&#x0364;rte, um zu erfor&#x017F;chen, wie man auf<lb/>
dem&#x017F;elben allenfalls tha&#x0364;tig mitwirken ko&#x0364;nnte.<lb/>
Der Zu&#x017F;tand de&#x017F;&#x017F;elben in der zweyten Ha&#x0364;lfte<lb/>
des vorigen Jahrhunderts i&#x017F;t bekannt genug,<lb/>
und Jederman, der &#x017F;ich davon zu unterrich¬<lb/>
ten verlangt, findet u&#x0364;berall bereite Hu&#x0364;lfsmittel.<lb/>
Ich denke deswegen hier nur einige allgemei¬<lb/>
ne Bemerkungen einzu&#x017F;chalten.</p><lb/>
        <p>Das Glu&#x0364;ck der Bu&#x0364;hne beruhte mehr auf<lb/>
der Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit der Schau&#x017F;pieler als auf<lb/>
dem Werthe der Stu&#x0364;cke. Dieß war be&#x017F;on¬<lb/>
ders bey halb oder ganz extemporirten Stu&#x0364;cken<lb/>
der Fall, wo alles auf den Humor und das<lb/>
Talent der comi&#x017F;chen Schau&#x017F;pieler ankam.<lb/>
Der Stoff &#x017F;olcher Stu&#x0364;cke muß aus dem ge¬<lb/>
mein&#x017F;ten Leben genommen &#x017F;eyn, den Sitten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0301] er ſeinen Tag widmet, daß er nicht demun¬ geachtet Abends ſo viel Zeit faͤnde, das Schau¬ ſpiel zu beſuchen; ſo ging es auch mir, der ich, in Ermangelung einer vorzuͤglichen Buͤh¬ ne, uͤber das deutſche Theater zu denken nicht aufhoͤrte, um zu erforſchen, wie man auf demſelben allenfalls thaͤtig mitwirken koͤnnte. Der Zuſtand deſſelben in der zweyten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts iſt bekannt genug, und Jederman, der ſich davon zu unterrich¬ ten verlangt, findet uͤberall bereite Huͤlfsmittel. Ich denke deswegen hier nur einige allgemei¬ ne Bemerkungen einzuſchalten. Das Gluͤck der Buͤhne beruhte mehr auf der Perſoͤnlichkeit der Schauſpieler als auf dem Werthe der Stuͤcke. Dieß war beſon¬ ders bey halb oder ganz extemporirten Stuͤcken der Fall, wo alles auf den Humor und das Talent der comiſchen Schauſpieler ankam. Der Stoff ſolcher Stuͤcke muß aus dem ge¬ meinſten Leben genommen ſeyn, den Sitten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/301
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/301>, abgerufen am 17.05.2024.