nere mich noch gar wohl, daß ein Reichshof¬ rathsagent mir, in einem solchen Falle, ein sehr artiges Belobungsschreiben zusendete. Die französischen plaidoyes dienten uns zu Mu¬ stern und zur Anregung.
Und somit waren wir auf dem Wege, bes¬ sere Redner als Juristen zu werden, worauf mich der solide Georg Schlosser einstmals ta¬ delnd aufmerksam machte. Ich hatte ihm er¬ zählt, daß ich meiner Partey eine mit vieler Energie zu ihren Gunsten abgefaßte Streit¬ schrift vorgelesen, worüber sie mir große Zu¬ friedenheit bezeigt. Hierauf erwiederte er mir: du hast dich in diesem Fall mehr als Schrift¬ steller, denn als Advocat bewiesen. Man muß niemals fragen wie eine solche Schrift dem Clienten, sondern wie sie dem Richter gefallen könne.
Wie nun aber Niemand noch so ernste und dringende Geschäfte haben mag, denen
nere mich noch gar wohl, daß ein Reichshof¬ rathsagent mir, in einem ſolchen Falle, ein ſehr artiges Belobungsſchreiben zuſendete. Die franzoͤſiſchen plaidoyés dienten uns zu Mu¬ ſtern und zur Anregung.
Und ſomit waren wir auf dem Wege, beſ¬ ſere Redner als Juriſten zu werden, worauf mich der ſolide Georg Schloſſer einſtmals ta¬ delnd aufmerkſam machte. Ich hatte ihm er¬ zaͤhlt, daß ich meiner Partey eine mit vieler Energie zu ihren Gunſten abgefaßte Streit¬ ſchrift vorgeleſen, woruͤber ſie mir große Zu¬ friedenheit bezeigt. Hierauf erwiederte er mir: du haſt dich in dieſem Fall mehr als Schrift¬ ſteller, denn als Advocat bewieſen. Man muß niemals fragen wie eine ſolche Schrift dem Clienten, ſondern wie ſie dem Richter gefallen koͤnne.
Wie nun aber Niemand noch ſo ernſte und dringende Geſchaͤfte haben mag, denen
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nere mich noch gar wohl, daß ein Reichshof¬
rathsagent mir, in einem ſolchen Falle, ein
ſehr artiges Belobungsſchreiben zuſendete. Die
franzoͤſiſchen plaidoyés dienten uns zu Mu¬
ſtern und zur Anregung.
Und ſomit waren wir auf dem Wege, beſ¬
ſere Redner als Juriſten zu werden, worauf
mich der ſolide Georg Schloſſer einſtmals ta¬
delnd aufmerkſam machte. Ich hatte ihm er¬
zaͤhlt, daß ich meiner Partey eine mit vieler
Energie zu ihren Gunſten abgefaßte Streit¬
ſchrift vorgeleſen, woruͤber ſie mir große Zu¬
friedenheit bezeigt. Hierauf erwiederte er mir:
du haſt dich in dieſem Fall mehr als Schrift¬
ſteller, denn als Advocat bewieſen. Man
muß niemals fragen wie eine ſolche Schrift
dem Clienten, ſondern wie ſie dem Richter
gefallen koͤnne.
Wie nun aber Niemand noch ſo ernſte
und dringende Geſchaͤfte haben mag, denen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/300>, abgerufen am 17.05.2024.
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