Indem ich nun alles was von Talent, Liebhaberey, oder sonst irgend einer Neigung in mir leben mochte, auszubilden, zu nähren und zu unterhalten suchte, verwendete ich eine gute Zeit des Tages, nach dem Wunsch mei¬ nes Vaters, auf die Advocatur, zu deren Ausübung ich zufälliger Weise die beste Gele¬ genheit fand. Nach dem Tode des Großva¬ ters war mein Oheim Textor in den Rath gekommen, und übergab mir die kleineren Sachen, denen ich gewachsen war; welches die Gebrüder Schlosser auch thaten. Ich machte mich mit den Acten bekannt, mein Vater las sie ebenfalls mit vielem Vergnügen, da er sich, durch Veranlassung des Sohns, wieder in einer Thätigkeit sah, die er lange entbehrt hatte. Wir besprachen uns darüber, und mit großer Leichtigkeit machte ich alsdann die nöthigen Aufsätze. Wir hatten einen treff¬ lichen Copisten zur Hand, auf den man sich zugleich wegen aller Canzleyförmlichkeiten ver¬ lassen konnte; und so war mir dieses Geschäft
III. 19
Indem ich nun alles was von Talent, Liebhaberey, oder ſonſt irgend einer Neigung in mir leben mochte, auszubilden, zu naͤhren und zu unterhalten ſuchte, verwendete ich eine gute Zeit des Tages, nach dem Wunſch mei¬ nes Vaters, auf die Advocatur, zu deren Ausuͤbung ich zufaͤlliger Weiſe die beſte Gele¬ genheit fand. Nach dem Tode des Großva¬ ters war mein Oheim Textor in den Rath gekommen, und uͤbergab mir die kleineren Sachen, denen ich gewachſen war; welches die Gebruͤder Schloſſer auch thaten. Ich machte mich mit den Acten bekannt, mein Vater las ſie ebenfalls mit vielem Vergnuͤgen, da er ſich, durch Veranlaſſung des Sohns, wieder in einer Thaͤtigkeit ſah, die er lange entbehrt hatte. Wir beſprachen uns daruͤber, und mit großer Leichtigkeit machte ich alsdann die noͤthigen Aufſaͤtze. Wir hatten einen treff¬ lichen Copiſten zur Hand, auf den man ſich zugleich wegen aller Canzleyfoͤrmlichkeiten ver¬ laſſen konnte; und ſo war mir dieſes Geſchaͤft
III. 19
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Indem ich nun alles was von Talent,
Liebhaberey, oder ſonſt irgend einer Neigung
in mir leben mochte, auszubilden, zu naͤhren
und zu unterhalten ſuchte, verwendete ich eine
gute Zeit des Tages, nach dem Wunſch mei¬
nes Vaters, auf die Advocatur, zu deren
Ausuͤbung ich zufaͤlliger Weiſe die beſte Gele¬
genheit fand. Nach dem Tode des Großva¬
ters war mein Oheim Textor in den Rath
gekommen, und uͤbergab mir die kleineren
Sachen, denen ich gewachſen war; welches
die Gebruͤder Schloſſer auch thaten. Ich
machte mich mit den Acten bekannt, mein
Vater las ſie ebenfalls mit vielem Vergnuͤgen,
da er ſich, durch Veranlaſſung des Sohns,
wieder in einer Thaͤtigkeit ſah, die er lange
entbehrt hatte. Wir beſprachen uns daruͤber,
und mit großer Leichtigkeit machte ich alsdann
die noͤthigen Aufſaͤtze. Wir hatten einen treff¬
lichen Copiſten zur Hand, auf den man ſich
zugleich wegen aller Canzleyfoͤrmlichkeiten ver¬
laſſen konnte; und ſo war mir dieſes Geſchaͤft
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/297>, abgerufen am 24.11.2024.
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