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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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ging. Ich fuhr mit ihm und den Seinigen
auf einer nach Maynz rückkehrenden Jacht
den Rhein aufwärts, und obschon dieses an
sich sehr langsam ging, so ersuchten wir noch
überdieß den Schiffer, sich ja nicht zu über¬
eilen. So genossen wir mit Muße der un¬
endlich mannigfaltigen Gegenstände, die bey
dem herrlichsten Wetter, jede Stunde an
Schönheit zuzunehmen und sowohl an Größe
als an Gefälligkeit immer neu zu wechseln
scheinen; und ich wünsche nur, indem ich die
Namen Rheinfels und St. Goar, Ba¬
charach, Bingen, Elfeld und Bibe¬
rich ausspreche, daß jeder meiner Leser im
Stande sey, sich diese Gegenden in der Er¬
innerung hervorzurufen.

Wir hatten fleißig gezeichnet, und uns
wenigstens dadurch die tausendfältige Abwech¬
selung jenes herrlichen Ufers fester eingedruckt;
aber auch unser Verhältniß verinnigte sich durch
dieses längere Zusammenseyn, durch die ver¬

ging. Ich fuhr mit ihm und den Seinigen
auf einer nach Maynz ruͤckkehrenden Jacht
den Rhein aufwaͤrts, und obſchon dieſes an
ſich ſehr langſam ging, ſo erſuchten wir noch
uͤberdieß den Schiffer, ſich ja nicht zu uͤber¬
eilen. So genoſſen wir mit Muße der un¬
endlich mannigfaltigen Gegenſtaͤnde, die bey
dem herrlichſten Wetter, jede Stunde an
Schoͤnheit zuzunehmen und ſowohl an Groͤße
als an Gefaͤlligkeit immer neu zu wechſeln
ſcheinen; und ich wuͤnſche nur, indem ich die
Namen Rheinfels und St. Goar, Ba¬
charach, Bingen, Elfeld und Bibe¬
rich ausſpreche, daß jeder meiner Leſer im
Stande ſey, ſich dieſe Gegenden in der Er¬
innerung hervorzurufen.

Wir hatten fleißig gezeichnet, und uns
wenigſtens dadurch die tauſendfaͤltige Abwech¬
ſelung jenes herrlichen Ufers feſter eingedruckt;
aber auch unſer Verhaͤltniß verinnigte ſich durch
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[285/0293] ging. Ich fuhr mit ihm und den Seinigen auf einer nach Maynz ruͤckkehrenden Jacht den Rhein aufwaͤrts, und obſchon dieſes an ſich ſehr langſam ging, ſo erſuchten wir noch uͤberdieß den Schiffer, ſich ja nicht zu uͤber¬ eilen. So genoſſen wir mit Muße der un¬ endlich mannigfaltigen Gegenſtaͤnde, die bey dem herrlichſten Wetter, jede Stunde an Schoͤnheit zuzunehmen und ſowohl an Groͤße als an Gefaͤlligkeit immer neu zu wechſeln ſcheinen; und ich wuͤnſche nur, indem ich die Namen Rheinfels und St. Goar, Ba¬ charach, Bingen, Elfeld und Bibe¬ rich ausſpreche, daß jeder meiner Leſer im Stande ſey, ſich dieſe Gegenden in der Er¬ innerung hervorzurufen. Wir hatten fleißig gezeichnet, und uns wenigſtens dadurch die tauſendfaͤltige Abwech¬ ſelung jenes herrlichen Ufers feſter eingedruckt; aber auch unſer Verhaͤltniß verinnigte ſich durch dieſes laͤngere Zuſammenſeyn, durch die ver¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/293>, abgerufen am 17.05.2024.