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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Von der historischen Vorbereitung zu der
ersten Arbeit habe ich bereits gesprochen; die
ethischen Anlässe zu der zweyten sollen gegen¬
wärtig eingeleitet werden.

Jener Vorsatz, meine innere Natur nach
ihren Eigenheiten gewähren, und die äußere
nach ihren Eigenschaften auf mich einfließen
zu lassen, trieb mich an das wunderliche Ele¬
ment, in welchem Werther ersonnen und ge¬
schrieben ist. Ich suchte mich innerlich von
allem Fremden zu entbinden, das Aeußere lie¬
bevoll zu betrachten, und alle Wesen, vom
menschlichen an, so tief hinab als sie nur fa߬
lich seyn möchten, jedes in seiner Art auf
mich wirken zu lassen. Dadurch entstand eine
wundersame Verwandtschaft mit den einzelnen
Gegenständen der Natur, und ein inniges
Anklingen, ein Mitstimmen ins Ganze, so
daß ein jeder Wechsel, es sey der Ortschaften
und Gegenden, oder der Tags- und Jahres¬
zeiten, oder was sonst sich ereignen konnte,

Von der hiſtoriſchen Vorbereitung zu der
erſten Arbeit habe ich bereits geſprochen; die
ethiſchen Anlaͤſſe zu der zweyten ſollen gegen¬
waͤrtig eingeleitet werden.

Jener Vorſatz, meine innere Natur nach
ihren Eigenheiten gewaͤhren, und die aͤußere
nach ihren Eigenſchaften auf mich einfließen
zu laſſen, trieb mich an das wunderliche Ele¬
ment, in welchem Werther erſonnen und ge¬
ſchrieben iſt. Ich ſuchte mich innerlich von
allem Fremden zu entbinden, das Aeußere lie¬
bevoll zu betrachten, und alle Weſen, vom
menſchlichen an, ſo tief hinab als ſie nur fa߬
lich ſeyn moͤchten, jedes in ſeiner Art auf
mich wirken zu laſſen. Dadurch entſtand eine
wunderſame Verwandtſchaft mit den einzelnen
Gegenſtaͤnden der Natur, und ein inniges
Anklingen, ein Mitſtimmen ins Ganze, ſo
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[228/0236] Von der hiſtoriſchen Vorbereitung zu der erſten Arbeit habe ich bereits geſprochen; die ethiſchen Anlaͤſſe zu der zweyten ſollen gegen¬ waͤrtig eingeleitet werden. Jener Vorſatz, meine innere Natur nach ihren Eigenheiten gewaͤhren, und die aͤußere nach ihren Eigenſchaften auf mich einfließen zu laſſen, trieb mich an das wunderliche Ele¬ ment, in welchem Werther erſonnen und ge¬ ſchrieben iſt. Ich ſuchte mich innerlich von allem Fremden zu entbinden, das Aeußere lie¬ bevoll zu betrachten, und alle Weſen, vom menſchlichen an, ſo tief hinab als ſie nur fa߬ lich ſeyn moͤchten, jedes in ſeiner Art auf mich wirken zu laſſen. Dadurch entſtand eine wunderſame Verwandtſchaft mit den einzelnen Gegenſtaͤnden der Natur, und ein inniges Anklingen, ein Mitſtimmen ins Ganze, ſo daß ein jeder Wechſel, es ſey der Ortſchaften und Gegenden, oder der Tags- und Jahres¬ zeiten, oder was ſonſt ſich ereignen konnte,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/236>, abgerufen am 23.11.2024.