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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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stand. Götter ließ ich überhaupt nicht viel
auftreten, weil sie mir noch außerhalb der
Natur, die ich nachzubilden verstand, ihren
Wohnsitz hatten. Was hätte mich nun gar
bewegen sollen, Wodan für Jupiter,
und Thor für Mars zu setzen, und statt
der südlichen genau umschriebenen Figuren,
Nebelbilder, ja bloße Wortklänge in meine
Dichtungen einzuführen? Von einer Seite
schlossen sie sich vielmehr an die Ossianschen
gleichfalls formlosen Helden, nur derber und
riesenhafter an, von der andern lenkte ich sie
nach dem heiteren Mährchen hin: denn der
humoristische Zug, der durch die ganze nor¬
dische Mythe durchgeht, war mir höchst lieb
und bemerkenswerth. Sie schien mir die ein¬
zige, welche durchaus mit sich selbst scherzt,
einer wunderlichen Dynastie von Göttern aben¬
teuerliche Riesen, Zauberer und Ungeheuer
entgegensetzt, die nur beschäftigt sind, die
höchsten Personen während ihres Regiments
zu irren, zum Besten zu haben, und hinter¬

ſtand. Goͤtter ließ ich uͤberhaupt nicht viel
auftreten, weil ſie mir noch außerhalb der
Natur, die ich nachzubilden verſtand, ihren
Wohnſitz hatten. Was haͤtte mich nun gar
bewegen ſollen, Wodan fuͤr Jupiter,
und Thor fuͤr Mars zu ſetzen, und ſtatt
der ſuͤdlichen genau umſchriebenen Figuren,
Nebelbilder, ja bloße Wortklaͤnge in meine
Dichtungen einzufuͤhren? Von einer Seite
ſchloſſen ſie ſich vielmehr an die Oſſianſchen
gleichfalls formloſen Helden, nur derber und
rieſenhafter an, von der andern lenkte ich ſie
nach dem heiteren Maͤhrchen hin: denn der
humoriſtiſche Zug, der durch die ganze nor¬
diſche Mythe durchgeht, war mir hoͤchſt lieb
und bemerkenswerth. Sie ſchien mir die ein¬
zige, welche durchaus mit ſich ſelbſt ſcherzt,
einer wunderlichen Dynaſtie von Goͤttern aben¬
teuerliche Rieſen, Zauberer und Ungeheuer
entgegenſetzt, die nur beſchaͤftigt ſind, die
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[219/0227] ſtand. Goͤtter ließ ich uͤberhaupt nicht viel auftreten, weil ſie mir noch außerhalb der Natur, die ich nachzubilden verſtand, ihren Wohnſitz hatten. Was haͤtte mich nun gar bewegen ſollen, Wodan fuͤr Jupiter, und Thor fuͤr Mars zu ſetzen, und ſtatt der ſuͤdlichen genau umſchriebenen Figuren, Nebelbilder, ja bloße Wortklaͤnge in meine Dichtungen einzufuͤhren? Von einer Seite ſchloſſen ſie ſich vielmehr an die Oſſianſchen gleichfalls formloſen Helden, nur derber und rieſenhafter an, von der andern lenkte ich ſie nach dem heiteren Maͤhrchen hin: denn der humoriſtiſche Zug, der durch die ganze nor¬ diſche Mythe durchgeht, war mir hoͤchſt lieb und bemerkenswerth. Sie ſchien mir die ein¬ zige, welche durchaus mit ſich ſelbſt ſcherzt, einer wunderlichen Dynaſtie von Goͤttern aben¬ teuerliche Rieſen, Zauberer und Ungeheuer entgegenſetzt, die nur beſchaͤftigt ſind, die hoͤchſten Perſonen waͤhrend ihres Regiments zu irren, zum Beſten zu haben, und hinter¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/227>, abgerufen am 23.11.2024.