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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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hingegen fand es vortheilhaft, eine solche
Erscheinung mir nicht als Eitelkeit auszule¬
gen, vielmehr den Wunsch, ihr zu gefallen,
darin zu erblicken.

Früh bey Zeiten rief mich Friedrike
zum Spazirengehn; Mutter und Schwester
waren beschäftigt, alles zum Empfang meh¬
rerer Gäste vorzubereiten. Ich genoß an der
Seite des lieben Mädchens der herrlichen
Sonntagsfrühe auf dem Lande, wie sie uns
der unschätzbare Hebel vergegenwärtigt hat.
Sie schilderte mir die erwartete Gesellschaft
und bat mich, ihr beyzustehn, daß alle Ver¬
gnügungen wo möglich gemeinsam und in einer
gewissen Ordnung möchten genossen werden.
Gewöhnlich, sagte sie, zerstreut man sich ein¬
zeln, Scherz und Spiel wird nur obenhin
gekostet, so daß zuletzt für den einen Theil
nichts übrig bleibt, als die Karten zu er¬
greifen, und für den andern, im Tanze
sich auszurasen.

hingegen fand es vortheilhaft, eine ſolche
Erſcheinung mir nicht als Eitelkeit auszule¬
gen, vielmehr den Wunſch, ihr zu gefallen,
darin zu erblicken.

Fruͤh bey Zeiten rief mich Friedrike
zum Spazirengehn; Mutter und Schweſter
waren beſchaͤftigt, alles zum Empfang meh¬
rerer Gaͤſte vorzubereiten. Ich genoß an der
Seite des lieben Maͤdchens der herrlichen
Sonntagsfruͤhe auf dem Lande, wie ſie uns
der unſchaͤtzbare Hebel vergegenwaͤrtigt hat.
Sie ſchilderte mir die erwartete Geſellſchaft
und bat mich, ihr beyzuſtehn, daß alle Ver¬
gnuͤgungen wo moͤglich gemeinſam und in einer
gewiſſen Ordnung moͤchten genoſſen werden.
Gewoͤhnlich, ſagte ſie, zerſtreut man ſich ein¬
zeln, Scherz und Spiel wird nur obenhin
gekoſtet, ſo daß zuletzt fuͤr den einen Theil
nichts uͤbrig bleibt, als die Karten zu er¬
greifen, und fuͤr den andern, im Tanze
ſich auszuraſen.

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[14/0022] hingegen fand es vortheilhaft, eine ſolche Erſcheinung mir nicht als Eitelkeit auszule¬ gen, vielmehr den Wunſch, ihr zu gefallen, darin zu erblicken. Fruͤh bey Zeiten rief mich Friedrike zum Spazirengehn; Mutter und Schweſter waren beſchaͤftigt, alles zum Empfang meh¬ rerer Gaͤſte vorzubereiten. Ich genoß an der Seite des lieben Maͤdchens der herrlichen Sonntagsfruͤhe auf dem Lande, wie ſie uns der unſchaͤtzbare Hebel vergegenwaͤrtigt hat. Sie ſchilderte mir die erwartete Geſellſchaft und bat mich, ihr beyzuſtehn, daß alle Ver¬ gnuͤgungen wo moͤglich gemeinſam und in einer gewiſſen Ordnung moͤchten genoſſen werden. Gewoͤhnlich, ſagte ſie, zerſtreut man ſich ein¬ zeln, Scherz und Spiel wird nur obenhin gekoſtet, ſo daß zuletzt fuͤr den einen Theil nichts uͤbrig bleibt, als die Karten zu er¬ greifen, und fuͤr den andern, im Tanze ſich auszuraſen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/22>, abgerufen am 29.03.2024.