Symbolen. Ein Hauptanlaß zum Scherze war ferner der, daß man das Offenbare als ein Geheimniß behandelte; man trieb die Sache öffentlich, und es sollte nicht davon gesprochen werden. Die Liste der sämmtlichen Ritter ward gedruckt, mit so viel Anstand als ein Reichstagscalender; und wenn Fami¬ lien darüber zu spotten, und die ganze Sache für absurd und lächerlich zu erklären wagten, so ward, zu ihrer Bestrafung, so lange in¬ triguirt, bis man einen ernsthaften Ehemann, oder nahen Verwandten, beyzutreten und den Ritterschlag anzunehmen bewogen hatte; da denn über den Verdruß der Angehörigen eine herrliche Schadenfreude entstand.
In dieses Ritterwesen verschlang sich noch ein seltsamer Orden, welcher philosophisch und mystisch seyn sollte, und keinen eigentlichen Namen hatte. Der erste Grad hieß der Ue¬ bergang, der zweyte des Uebergangs Ueber¬ gang, der dritte des Uebergangs Uebergang
III. 14
Symbolen. Ein Hauptanlaß zum Scherze war ferner der, daß man das Offenbare als ein Geheimniß behandelte; man trieb die Sache oͤffentlich, und es ſollte nicht davon geſprochen werden. Die Liſte der ſaͤmmtlichen Ritter ward gedruckt, mit ſo viel Anſtand als ein Reichstagscalender; und wenn Fami¬ lien daruͤber zu ſpotten, und die ganze Sache fuͤr abſurd und laͤcherlich zu erklaͤren wagten, ſo ward, zu ihrer Beſtrafung, ſo lange in¬ triguirt, bis man einen ernſthaften Ehemann, oder nahen Verwandten, beyzutreten und den Ritterſchlag anzunehmen bewogen hatte; da denn uͤber den Verdruß der Angehoͤrigen eine herrliche Schadenfreude entſtand.
In dieſes Ritterweſen verſchlang ſich noch ein ſeltſamer Orden, welcher philoſophiſch und myſtiſch ſeyn ſollte, und keinen eigentlichen Namen hatte. Der erſte Grad hieß der Ue¬ bergang, der zweyte des Uebergangs Ueber¬ gang, der dritte des Uebergangs Uebergang
III. 14
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Symbolen. Ein Hauptanlaß zum Scherze
war ferner der, daß man das Offenbare als
ein Geheimniß behandelte; man trieb die
Sache oͤffentlich, und es ſollte nicht davon
geſprochen werden. Die Liſte der ſaͤmmtlichen
Ritter ward gedruckt, mit ſo viel Anſtand
als ein Reichstagscalender; und wenn Fami¬
lien daruͤber zu ſpotten, und die ganze Sache
fuͤr abſurd und laͤcherlich zu erklaͤren wagten,
ſo ward, zu ihrer Beſtrafung, ſo lange in¬
triguirt, bis man einen ernſthaften Ehemann,
oder nahen Verwandten, beyzutreten und den
Ritterſchlag anzunehmen bewogen hatte; da
denn uͤber den Verdruß der Angehoͤrigen eine
herrliche Schadenfreude entſtand.
In dieſes Ritterweſen verſchlang ſich noch
ein ſeltſamer Orden, welcher philoſophiſch und
myſtiſch ſeyn ſollte, und keinen eigentlichen
Namen hatte. Der erſte Grad hieß der Ue¬
bergang, der zweyte des Uebergangs Ueber¬
gang, der dritte des Uebergangs Uebergang
III. 14
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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