Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ßen wir nur allzu leicht unseren Beruf zu ern¬
steren Dingen; doch regte gerade diese oft ein¬
same Bewegung, dieses gemächliche Schweben
im Unbestimmten, gar manche meiner innern
Bedürfnisse wieder auf, die eine Zeitlang ge¬
schlafen hatten, und ich bin solchen Stunden
die schnellere Ausbildung älterer Vorsätze schul¬
dig geworden.

Die dunkleren Jahrhunderte der deutschen
Geschichte hatten von jeher meine Wißbegier¬
de und Einbildungskraft beschäftigt. Der Ge¬
danke, den Goetz von Berlichingen in seiner
Zeitumgebung zu dramatisiren, war mir höch¬
lich lieb und werth. Ich las die Hauptschrift¬
steller fleißig; dem Werke De Pace publica
von Datt widmete ich alle Aufmerksamkeit;
ich hatte es emsig durchstudirt, und mir jene
seltsamen Einzelnheiten möglichst veranschau¬
licht. Diese zu sittlichen und poetischen Absich¬
ten hingerichteten Bemühungen konnte ich auch
nach einer anderen Seite brauchen, und da

ßen wir nur allzu leicht unſeren Beruf zu ern¬
ſteren Dingen; doch regte gerade dieſe oft ein¬
ſame Bewegung, dieſes gemaͤchliche Schweben
im Unbeſtimmten, gar manche meiner innern
Beduͤrfniſſe wieder auf, die eine Zeitlang ge¬
ſchlafen hatten, und ich bin ſolchen Stunden
die ſchnellere Ausbildung aͤlterer Vorſaͤtze ſchul¬
dig geworden.

Die dunkleren Jahrhunderte der deutſchen
Geſchichte hatten von jeher meine Wißbegier¬
de und Einbildungskraft beſchaͤftigt. Der Ge¬
danke, den Goetz von Berlichingen in ſeiner
Zeitumgebung zu dramatiſiren, war mir hoͤch¬
lich lieb und werth. Ich las die Hauptſchrift¬
ſteller fleißig; dem Werke De Pace publica
von Datt widmete ich alle Aufmerkſamkeit;
ich hatte es emſig durchſtudirt, und mir jene
ſeltſamen Einzelnheiten moͤglichſt veranſchau¬
licht. Dieſe zu ſittlichen und poetiſchen Abſich¬
ten hingerichteten Bemuͤhungen konnte ich auch
nach einer anderen Seite brauchen, und da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="187"/>
ßen wir nur allzu leicht un&#x017F;eren Beruf zu ern¬<lb/>
&#x017F;teren Dingen; doch regte gerade die&#x017F;e oft ein¬<lb/>
&#x017F;ame Bewegung, die&#x017F;es gema&#x0364;chliche Schweben<lb/>
im Unbe&#x017F;timmten, gar manche meiner innern<lb/>
Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e wieder auf, die eine Zeitlang ge¬<lb/>
&#x017F;chlafen hatten, und ich bin &#x017F;olchen Stunden<lb/>
die &#x017F;chnellere Ausbildung a&#x0364;lterer Vor&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;chul¬<lb/>
dig geworden.</p><lb/>
        <p>Die dunkleren Jahrhunderte der deut&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chichte hatten von jeher meine Wißbegier¬<lb/>
de und Einbildungskraft be&#x017F;cha&#x0364;ftigt. Der Ge¬<lb/>
danke, den Goetz von Berlichingen in &#x017F;einer<lb/>
Zeitumgebung zu dramati&#x017F;iren, war mir ho&#x0364;ch¬<lb/>
lich lieb und werth. Ich las die Haupt&#x017F;chrift¬<lb/>
&#x017F;teller fleißig; dem Werke <hi rendition="#aq">De Pace publica</hi><lb/>
von <hi rendition="#g">Datt</hi> widmete ich alle Aufmerk&#x017F;amkeit;<lb/>
ich hatte es em&#x017F;ig durch&#x017F;tudirt, und mir jene<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;amen Einzelnheiten mo&#x0364;glich&#x017F;t veran&#x017F;chau¬<lb/>
licht. Die&#x017F;e zu &#x017F;ittlichen und poeti&#x017F;chen Ab&#x017F;ich¬<lb/>
ten hingerichteten Bemu&#x0364;hungen konnte ich auch<lb/>
nach einer anderen Seite brauchen, und da<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0195] ßen wir nur allzu leicht unſeren Beruf zu ern¬ ſteren Dingen; doch regte gerade dieſe oft ein¬ ſame Bewegung, dieſes gemaͤchliche Schweben im Unbeſtimmten, gar manche meiner innern Beduͤrfniſſe wieder auf, die eine Zeitlang ge¬ ſchlafen hatten, und ich bin ſolchen Stunden die ſchnellere Ausbildung aͤlterer Vorſaͤtze ſchul¬ dig geworden. Die dunkleren Jahrhunderte der deutſchen Geſchichte hatten von jeher meine Wißbegier¬ de und Einbildungskraft beſchaͤftigt. Der Ge¬ danke, den Goetz von Berlichingen in ſeiner Zeitumgebung zu dramatiſiren, war mir hoͤch¬ lich lieb und werth. Ich las die Hauptſchrift¬ ſteller fleißig; dem Werke De Pace publica von Datt widmete ich alle Aufmerkſamkeit; ich hatte es emſig durchſtudirt, und mir jene ſeltſamen Einzelnheiten moͤglichſt veranſchau¬ licht. Dieſe zu ſittlichen und poetiſchen Abſich¬ ten hingerichteten Bemuͤhungen konnte ich auch nach einer anderen Seite brauchen, und da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/195
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/195>, abgerufen am 02.05.2024.