Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

ersten Conception der Gruppe hervor. Die
ganze so gewaltsame als kunstreiche Stellung
des Hauptkörpers war aus zwey Anlässen zu¬
sammengesetzt, aus dem Streben gegen die
Schlangen, und aus dem Fliehn vor dem au¬
genblicklichen Biß. Um diesen Schmerz zu
mildern, mußte der Unterleib eingezogen und
das Schreyen unmöglich gemacht werden. So
entschied ich mich auch, daß der jüngere Sohn
nicht gebissen sey, und wie ich mir sonst noch
das Kunstreiche dieser Gruppe auszulegen
suchte. Ich schrieb hierüber einen Brief an
Oesern, der aber nicht sonderlich auf meine
Auslegung achtete, sondern nur meinen guten
Willen mit einer allgemeinen Aufmunterung
erwiederte. Ich aber war glücklich genug, je¬
nen Gedanken festzuhalten und bey mir meh¬
rere Jahre ruhen zu lassen, bis er sich zu¬
letzt an meine sämmtlichen Erfahrungen und
Ueberzeugungen anschloß, in welchem Sinne
ich ihn sodann bey Herausgabe der Propy¬
läen mittheilte.

erſten Conception der Gruppe hervor. Die
ganze ſo gewaltſame als kunſtreiche Stellung
des Hauptkoͤrpers war aus zwey Anlaͤſſen zu¬
ſammengeſetzt, aus dem Streben gegen die
Schlangen, und aus dem Fliehn vor dem au¬
genblicklichen Biß. Um dieſen Schmerz zu
mildern, mußte der Unterleib eingezogen und
das Schreyen unmoͤglich gemacht werden. So
entſchied ich mich auch, daß der juͤngere Sohn
nicht gebiſſen ſey, und wie ich mir ſonſt noch
das Kunſtreiche dieſer Gruppe auszulegen
ſuchte. Ich ſchrieb hieruͤber einen Brief an
Oeſern, der aber nicht ſonderlich auf meine
Auslegung achtete, ſondern nur meinen guten
Willen mit einer allgemeinen Aufmunterung
erwiederte. Ich aber war gluͤcklich genug, je¬
nen Gedanken feſtzuhalten und bey mir meh¬
rere Jahre ruhen zu laſſen, bis er ſich zu¬
letzt an meine ſaͤmmtlichen Erfahrungen und
Ueberzeugungen anſchloß, in welchem Sinne
ich ihn ſodann bey Herausgabe der Propy¬
laͤen mittheilte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="132"/>
er&#x017F;ten Conception der Gruppe hervor. Die<lb/>
ganze &#x017F;o gewalt&#x017F;ame als kun&#x017F;treiche Stellung<lb/>
des Hauptko&#x0364;rpers war aus zwey Anla&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu¬<lb/>
&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, aus dem Streben gegen die<lb/>
Schlangen, und aus dem Fliehn vor dem au¬<lb/>
genblicklichen Biß. Um die&#x017F;en Schmerz zu<lb/>
mildern, mußte der Unterleib eingezogen und<lb/>
das Schreyen unmo&#x0364;glich gemacht werden. So<lb/>
ent&#x017F;chied ich mich auch, daß der ju&#x0364;ngere Sohn<lb/>
nicht gebi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey, und wie ich mir &#x017F;on&#x017F;t noch<lb/>
das Kun&#x017F;treiche die&#x017F;er Gruppe auszulegen<lb/>
&#x017F;uchte. Ich &#x017F;chrieb hieru&#x0364;ber einen Brief an<lb/>
Oe&#x017F;ern, der aber nicht &#x017F;onderlich auf meine<lb/>
Auslegung achtete, &#x017F;ondern nur meinen guten<lb/>
Willen mit einer allgemeinen Aufmunterung<lb/>
erwiederte. Ich aber war glu&#x0364;cklich genug, je¬<lb/>
nen Gedanken fe&#x017F;tzuhalten und bey mir meh¬<lb/>
rere Jahre ruhen zu la&#x017F;&#x017F;en, bis er &#x017F;ich zu¬<lb/>
letzt an meine &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Erfahrungen und<lb/>
Ueberzeugungen an&#x017F;chloß, in welchem Sinne<lb/>
ich ihn &#x017F;odann bey Herausgabe der Propy¬<lb/>
la&#x0364;en mittheilte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0140] erſten Conception der Gruppe hervor. Die ganze ſo gewaltſame als kunſtreiche Stellung des Hauptkoͤrpers war aus zwey Anlaͤſſen zu¬ ſammengeſetzt, aus dem Streben gegen die Schlangen, und aus dem Fliehn vor dem au¬ genblicklichen Biß. Um dieſen Schmerz zu mildern, mußte der Unterleib eingezogen und das Schreyen unmoͤglich gemacht werden. So entſchied ich mich auch, daß der juͤngere Sohn nicht gebiſſen ſey, und wie ich mir ſonſt noch das Kunſtreiche dieſer Gruppe auszulegen ſuchte. Ich ſchrieb hieruͤber einen Brief an Oeſern, der aber nicht ſonderlich auf meine Auslegung achtete, ſondern nur meinen guten Willen mit einer allgemeinen Aufmunterung erwiederte. Ich aber war gluͤcklich genug, je¬ nen Gedanken feſtzuhalten und bey mir meh¬ rere Jahre ruhen zu laſſen, bis er ſich zu¬ letzt an meine ſaͤmmtlichen Erfahrungen und Ueberzeugungen anſchloß, in welchem Sinne ich ihn ſodann bey Herausgabe der Propy¬ laͤen mittheilte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/140
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/140>, abgerufen am 06.05.2024.