welche sie cultivirten, nicht im besten Verneh¬ men, und Gellerten besonders, für den ich, ungeschickt genug, viel Zutrauen geäußert hat¬ te, konnte er nun gar nicht leiden. Jenen Männern also einen treuen Zuhörer zuzuwei¬ sen, sich selbst aber einen zu entziehen, und noch dazu unter solchen Umständen, schien ihm ganz und gar unzulässig. Er hielt mir daher aus dem Stegreif eine gewaltige Straf¬ predigt, worin er betheuerte, daß er ohne Er¬ laubniß meiner Aeltern einen solchen Schritt nicht zugeben könne, wenn er ihn auch, wie hier der Fall nicht sey, selbst billigte. Er ver¬ unglimpfte darauf leidenschaftlich Philologie und Sprachstudien, noch mehr aber die poetischen Uebungen, die ich freylich im Hintergrunde hatte durchblicken lassen. Er schloß zuletzt, daß wenn ich ja dem Studium der Alten mich nähern wolle, solches viel besser auf dem Wege der Jurisprudenz geschehen könne. Er brachte mir so manchen eleganten Juristen, Eberhard Otto und Heineccius, ins Gedächtniß, ver¬
welche ſie cultivirten, nicht im beſten Verneh¬ men, und Gellerten beſonders, fuͤr den ich, ungeſchickt genug, viel Zutrauen geaͤußert hat¬ te, konnte er nun gar nicht leiden. Jenen Maͤnnern alſo einen treuen Zuhoͤrer zuzuwei¬ ſen, ſich ſelbſt aber einen zu entziehen, und noch dazu unter ſolchen Umſtaͤnden, ſchien ihm ganz und gar unzulaͤſſig. Er hielt mir daher aus dem Stegreif eine gewaltige Straf¬ predigt, worin er betheuerte, daß er ohne Er¬ laubniß meiner Aeltern einen ſolchen Schritt nicht zugeben koͤnne, wenn er ihn auch, wie hier der Fall nicht ſey, ſelbſt billigte. Er ver¬ unglimpfte darauf leidenſchaftlich Philologie und Sprachſtudien, noch mehr aber die poetiſchen Uebungen, die ich freylich im Hintergrunde hatte durchblicken laſſen. Er ſchloß zuletzt, daß wenn ich ja dem Studium der Alten mich naͤhern wolle, ſolches viel beſſer auf dem Wege der Jurisprudenz geſchehen koͤnne. Er brachte mir ſo manchen eleganten Juriſten, Eberhard Otto und Heineccius, ins Gedaͤchtniß, ver¬
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welche ſie cultivirten, nicht im beſten Verneh¬
men, und Gellerten beſonders, fuͤr den ich,
ungeſchickt genug, viel Zutrauen geaͤußert hat¬
te, konnte er nun gar nicht leiden. Jenen
Maͤnnern alſo einen treuen Zuhoͤrer zuzuwei¬
ſen, ſich ſelbſt aber einen zu entziehen, und
noch dazu unter ſolchen Umſtaͤnden, ſchien
ihm ganz und gar unzulaͤſſig. Er hielt mir
daher aus dem Stegreif eine gewaltige Straf¬
predigt, worin er betheuerte, daß er ohne Er¬
laubniß meiner Aeltern einen ſolchen Schritt
nicht zugeben koͤnne, wenn er ihn auch, wie
hier der Fall nicht ſey, ſelbſt billigte. Er ver¬
unglimpfte darauf leidenſchaftlich Philologie und
Sprachſtudien, noch mehr aber die poetiſchen
Uebungen, die ich freylich im Hintergrunde
hatte durchblicken laſſen. Er ſchloß zuletzt,
daß wenn ich ja dem Studium der Alten mich
naͤhern wolle, ſolches viel beſſer auf dem Wege
der Jurisprudenz geſchehen koͤnne. Er brachte
mir ſo manchen eleganten Juriſten, Eberhard
Otto und Heineccius, ins Gedaͤchtniß, ver¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/82>, abgerufen am 21.11.2024.
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