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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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schrieben, auf eine wahre Geschichte gegrün¬
det, ergetzte unser kleines Publicum gar sehr,
und man war überzeugt, daß es sich mit der
Walpurgisnacht von Löven, oder dem
Renommisten von Zachariä gar wohl
messen könne.

Indem nun unsere geselligen Freuden nur
einen Abend und die Vorbereitungen dazu
wenige Stunden erforderten, so hatte ich Zeit
genug zu lesen und, wie ich glaubte, zu stu¬
diren. Meinem Vater zu Liebe repetirte ich
fleißig den kleinen Hopp, und konnte mich
vorwärts und rückwärts darin examiniren las¬
sen, wodurch ich mir denn den Hauptinhalt
der Institutionen vollkommen zu eigen machte.
Allein unruhige Wißbegierde trieb mich wei¬
ter, ich gerieth in die Geschichte der alten Lit¬
teratur und von da in einen Encyclopädismus,
indem ich Geßners Isagoge und Mor¬
hovs
Polyhistor durchlief, und mir dadurch
einen allgemeinen Begriff erwarb, wie man¬

ſchrieben, auf eine wahre Geſchichte gegruͤn¬
det, ergetzte unſer kleines Publicum gar ſehr,
und man war uͤberzeugt, daß es ſich mit der
Walpurgisnacht von Loͤven, oder dem
Renommiſten von Zachariaͤ gar wohl
meſſen koͤnne.

Indem nun unſere geſelligen Freuden nur
einen Abend und die Vorbereitungen dazu
wenige Stunden erforderten, ſo hatte ich Zeit
genug zu leſen und, wie ich glaubte, zu ſtu¬
diren. Meinem Vater zu Liebe repetirte ich
fleißig den kleinen Hopp, und konnte mich
vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts darin examiniren laſ¬
ſen, wodurch ich mir denn den Hauptinhalt
der Inſtitutionen vollkommen zu eigen machte.
Allein unruhige Wißbegierde trieb mich wei¬
ter, ich gerieth in die Geſchichte der alten Lit¬
teratur und von da in einen Encyclopaͤdismus,
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Polyhiſtor durchlief, und mir dadurch
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[55/0063] ſchrieben, auf eine wahre Geſchichte gegruͤn¬ det, ergetzte unſer kleines Publicum gar ſehr, und man war uͤberzeugt, daß es ſich mit der Walpurgisnacht von Loͤven, oder dem Renommiſten von Zachariaͤ gar wohl meſſen koͤnne. Indem nun unſere geſelligen Freuden nur einen Abend und die Vorbereitungen dazu wenige Stunden erforderten, ſo hatte ich Zeit genug zu leſen und, wie ich glaubte, zu ſtu¬ diren. Meinem Vater zu Liebe repetirte ich fleißig den kleinen Hopp, und konnte mich vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts darin examiniren laſ¬ ſen, wodurch ich mir denn den Hauptinhalt der Inſtitutionen vollkommen zu eigen machte. Allein unruhige Wißbegierde trieb mich wei¬ ter, ich gerieth in die Geſchichte der alten Lit¬ teratur und von da in einen Encyclopaͤdismus, indem ich Geßners Iſagoge und Mor¬ hovs Polyhiſtor durchlief, und mir dadurch einen allgemeinen Begriff erwarb, wie man¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/63>, abgerufen am 21.11.2024.