Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

wesen, wenn ich nur einigermaßen gewußt
hätte, zu wem ich ging, diese vergeben Sie
gewiß: denn es ist die Gestalt von Menschen,
denen Sie so freundlich begegnen. -- Ihre
bläßlichen Wangen hatten sich mit dem schön¬
sten Rosenrothe gefärbt. -- Schlimmer sollen
Sie's wenigstens nicht haben als Georges!
Aber lassen Sie uns sitzen! Ich gestehe es,
der Schreck ist mir in die Glieder gefahren.
-- Ich setzte mich zu ihr, äußerst bewegt. --
Wir wissen alles bis heute früh durch Ihren
Freund, sagte sie, nun erzählen Sie mir das
Weitere. Ich ließ mir das nicht zweymal
sagen, sondern beschrieb ihr meinen Abscheu
vor der gestrigen Figur, mein Fortstürmen
aus dem Hause so komisch, daß sie herzlich
und anmuthig lachte; dann ließ ich das Ue¬
brige folgen, mit aller Bescheidenheit zwar,
doch leidenschaftlich genug, daß es gar wohl
für eine Liebeserklärung in historischer Form
hätte gelten können. Das Vergnügen sie

weſen, wenn ich nur einigermaßen gewußt
haͤtte, zu wem ich ging, dieſe vergeben Sie
gewiß: denn es iſt die Geſtalt von Menſchen,
denen Sie ſo freundlich begegnen. — Ihre
blaͤßlichen Wangen hatten ſich mit dem ſchoͤn¬
ſten Roſenrothe gefaͤrbt. — Schlimmer ſollen
Sie's wenigſtens nicht haben als Georges!
Aber laſſen Sie uns ſitzen! Ich geſtehe es,
der Schreck iſt mir in die Glieder gefahren.
— Ich ſetzte mich zu ihr, aͤußerſt bewegt. —
Wir wiſſen alles bis heute fruͤh durch Ihren
Freund, ſagte ſie, nun erzaͤhlen Sie mir das
Weitere. Ich ließ mir das nicht zweymal
ſagen, ſondern beſchrieb ihr meinen Abſcheu
vor der geſtrigen Figur, mein Fortſtuͤrmen
aus dem Hauſe ſo komiſch, daß ſie herzlich
und anmuthig lachte; dann ließ ich das Ue¬
brige folgen, mit aller Beſcheidenheit zwar,
doch leidenſchaftlich genug, daß es gar wohl
fuͤr eine Liebeserklaͤrung in hiſtoriſcher Form
haͤtte gelten koͤnnen. Das Vergnuͤgen ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0567" n="559"/>
we&#x017F;en, wenn ich nur einigermaßen gewußt<lb/>
ha&#x0364;tte, zu wem ich ging, die&#x017F;e vergeben Sie<lb/>
gewiß: denn es i&#x017F;t die Ge&#x017F;talt von Men&#x017F;chen,<lb/>
denen Sie &#x017F;o freundlich begegnen. &#x2014; Ihre<lb/>
bla&#x0364;ßlichen Wangen hatten &#x017F;ich mit dem &#x017F;cho&#x0364;<lb/>
&#x017F;ten Ro&#x017F;enrothe gefa&#x0364;rbt. &#x2014; Schlimmer &#x017F;ollen<lb/>
Sie's wenig&#x017F;tens nicht haben als Georges!<lb/>
Aber la&#x017F;&#x017F;en Sie uns &#x017F;itzen! Ich ge&#x017F;tehe es,<lb/>
der Schreck i&#x017F;t mir in die Glieder gefahren.<lb/>
&#x2014; Ich &#x017F;etzte mich zu ihr, a&#x0364;ußer&#x017F;t bewegt. &#x2014;<lb/>
Wir wi&#x017F;&#x017F;en alles bis heute fru&#x0364;h durch Ihren<lb/>
Freund, &#x017F;agte &#x017F;ie, nun erza&#x0364;hlen Sie mir das<lb/>
Weitere. Ich ließ mir das nicht zweymal<lb/>
&#x017F;agen, &#x017F;ondern be&#x017F;chrieb ihr meinen Ab&#x017F;cheu<lb/>
vor der ge&#x017F;trigen Figur, mein Fort&#x017F;tu&#x0364;rmen<lb/>
aus dem Hau&#x017F;e &#x017F;o komi&#x017F;ch, daß &#x017F;ie herzlich<lb/>
und anmuthig lachte; dann ließ ich das Ue¬<lb/>
brige folgen, mit aller Be&#x017F;cheidenheit zwar,<lb/>
doch leiden&#x017F;chaftlich genug, daß es gar wohl<lb/>
fu&#x0364;r eine Liebeserkla&#x0364;rung in hi&#x017F;tori&#x017F;cher Form<lb/>
ha&#x0364;tte gelten ko&#x0364;nnen. Das Vergnu&#x0364;gen &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[559/0567] weſen, wenn ich nur einigermaßen gewußt haͤtte, zu wem ich ging, dieſe vergeben Sie gewiß: denn es iſt die Geſtalt von Menſchen, denen Sie ſo freundlich begegnen. — Ihre blaͤßlichen Wangen hatten ſich mit dem ſchoͤn¬ ſten Roſenrothe gefaͤrbt. — Schlimmer ſollen Sie's wenigſtens nicht haben als Georges! Aber laſſen Sie uns ſitzen! Ich geſtehe es, der Schreck iſt mir in die Glieder gefahren. — Ich ſetzte mich zu ihr, aͤußerſt bewegt. — Wir wiſſen alles bis heute fruͤh durch Ihren Freund, ſagte ſie, nun erzaͤhlen Sie mir das Weitere. Ich ließ mir das nicht zweymal ſagen, ſondern beſchrieb ihr meinen Abſcheu vor der geſtrigen Figur, mein Fortſtuͤrmen aus dem Hauſe ſo komiſch, daß ſie herzlich und anmuthig lachte; dann ließ ich das Ue¬ brige folgen, mit aller Beſcheidenheit zwar, doch leidenſchaftlich genug, daß es gar wohl fuͤr eine Liebeserklaͤrung in hiſtoriſcher Form haͤtte gelten koͤnnen. Das Vergnuͤgen ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/567
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/567>, abgerufen am 23.11.2024.