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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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kefield als ein fürtreffliches Werk an, von
dem er uns die deutsche Uebersetzung durch
selbsteigne Vorlesung bekannt machen wolle.

Seine Art zu lesen war ganz eigen; wer
ihn predigen gehört hat, wird sich davon ei¬
nen Begriff machen können. Er trug alles,
und so auch diesen Roman, ernst und schlicht
vor; völlig entfernt von aller dramatischmi¬
mischen Darstellung, vermied er sogar jene
Mannigfaltigkeit, die bey einem epischen Vor¬
trag nicht allein erlaubt ist, sondern wohl
gefordert wird: eine geringe Abwechselung des
Tons, wenn verschiedene Personen sprechen,
wodurch das was eine jede sagt, herausge¬
hoben und der Handelnde von dem Erzäh¬
lenden abgesondert wird. Ohne monoton zu
seyn ließ Herder alles in Einem Ton hinter
einander folgen, eben als wenn nichts gegen¬
wärtig, sondern alles nur historisch wäre, als
wenn die Schatten dieser poetischen Wesen

kefield als ein fuͤrtreffliches Werk an, von
dem er uns die deutſche Ueberſetzung durch
ſelbſteigne Vorleſung bekannt machen wolle.

Seine Art zu leſen war ganz eigen; wer
ihn predigen gehoͤrt hat, wird ſich davon ei¬
nen Begriff machen koͤnnen. Er trug alles,
und ſo auch dieſen Roman, ernſt und ſchlicht
vor; voͤllig entfernt von aller dramatiſchmi¬
miſchen Darſtellung, vermied er ſogar jene
Mannigfaltigkeit, die bey einem epiſchen Vor¬
trag nicht allein erlaubt iſt, ſondern wohl
gefordert wird: eine geringe Abwechſelung des
Tons, wenn verſchiedene Perſonen ſprechen,
wodurch das was eine jede ſagt, herausge¬
hoben und der Handelnde von dem Erzaͤh¬
lenden abgeſondert wird. Ohne monoton zu
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[518/0526] kefield als ein fuͤrtreffliches Werk an, von dem er uns die deutſche Ueberſetzung durch ſelbſteigne Vorleſung bekannt machen wolle. Seine Art zu leſen war ganz eigen; wer ihn predigen gehoͤrt hat, wird ſich davon ei¬ nen Begriff machen koͤnnen. Er trug alles, und ſo auch dieſen Roman, ernſt und ſchlicht vor; voͤllig entfernt von aller dramatiſchmi¬ miſchen Darſtellung, vermied er ſogar jene Mannigfaltigkeit, die bey einem epiſchen Vor¬ trag nicht allein erlaubt iſt, ſondern wohl gefordert wird: eine geringe Abwechſelung des Tons, wenn verſchiedene Perſonen ſprechen, wodurch das was eine jede ſagt, herausge¬ hoben und der Handelnde von dem Erzaͤh¬ lenden abgeſondert wird. Ohne monoton zu ſeyn ließ Herder alles in Einem Ton hinter einander folgen, eben als wenn nichts gegen¬ waͤrtig, ſondern alles nur hiſtoriſch waͤre, als wenn die Schatten dieſer poetiſchen Weſen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/526>, abgerufen am 11.06.2024.