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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Doch fast mehr als diese bedeutenden Er¬
fahrungen interessirten uns junge Bursche ei¬
nige lustige Abenteuer, und bey einbrechender
Finsterniß, ohnweit Neukirch, ein überra¬
schendes Feuerwerk. Denn wie vor einigen
Nächten, an den Ufern der Saar, leuchtende
Wolken Johanniswürmer zwischen Fels und
Busch um uns schwebten, so spielten uns nun
die funkenwerfenden Essen ihr lustiges Feuer¬
werk entgegen. Wir betraten bey tiefer Nacht
die im Thalgrunde liegenden Schmelzhütten,
und vergnügten uns an dem seltsamen Halb¬
dunkel dieser Bretter-Höhlen, die nur durch
des glühenden Ofens geringe Oeffnung küm¬
merlich erleuchtet werden. Das Geräusch des
Wassers und der von ihm getriebenen Blas¬
bälge, das fürchterliche Sausen und Pfeifen
des Windstroms, der, in das geschmolzene
Erz wüthend, die Ohren betäubt und die
Sinne verwirrt, trieb uns endlich hinweg,
um in Neukirch einzukehren, das an dem
Berg hinaufgebaut ist.

Doch faſt mehr als dieſe bedeutenden Er¬
fahrungen intereſſirten uns junge Burſche ei¬
nige luſtige Abenteuer, und bey einbrechender
Finſterniß, ohnweit Neukirch, ein uͤberra¬
ſchendes Feuerwerk. Denn wie vor einigen
Naͤchten, an den Ufern der Saar, leuchtende
Wolken Johanniswuͤrmer zwiſchen Fels und
Buſch um uns ſchwebten, ſo ſpielten uns nun
die funkenwerfenden Eſſen ihr luſtiges Feuer¬
werk entgegen. Wir betraten bey tiefer Nacht
die im Thalgrunde liegenden Schmelzhuͤtten,
und vergnuͤgten uns an dem ſeltſamen Halb¬
dunkel dieſer Bretter-Hoͤhlen, die nur durch
des gluͤhenden Ofens geringe Oeffnung kuͤm¬
merlich erleuchtet werden. Das Geraͤuſch des
Waſſers und der von ihm getriebenen Blas¬
baͤlge, das fuͤrchterliche Sauſen und Pfeifen
des Windſtroms, der, in das geſchmolzene
Erz wuͤthend, die Ohren betaͤubt und die
Sinne verwirrt, trieb uns endlich hinweg,
um in Neukirch einzukehren, das an dem
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[509/0517] Doch faſt mehr als dieſe bedeutenden Er¬ fahrungen intereſſirten uns junge Burſche ei¬ nige luſtige Abenteuer, und bey einbrechender Finſterniß, ohnweit Neukirch, ein uͤberra¬ ſchendes Feuerwerk. Denn wie vor einigen Naͤchten, an den Ufern der Saar, leuchtende Wolken Johanniswuͤrmer zwiſchen Fels und Buſch um uns ſchwebten, ſo ſpielten uns nun die funkenwerfenden Eſſen ihr luſtiges Feuer¬ werk entgegen. Wir betraten bey tiefer Nacht die im Thalgrunde liegenden Schmelzhuͤtten, und vergnuͤgten uns an dem ſeltſamen Halb¬ dunkel dieſer Bretter-Hoͤhlen, die nur durch des gluͤhenden Ofens geringe Oeffnung kuͤm¬ merlich erleuchtet werden. Das Geraͤuſch des Waſſers und der von ihm getriebenen Blas¬ baͤlge, das fuͤrchterliche Sauſen und Pfeifen des Windſtroms, der, in das geſchmolzene Erz wuͤthend, die Ohren betaͤubt und die Sinne verwirrt, trieb uns endlich hinweg, um in Neukirch einzukehren, das an dem Berg hinaufgebaut iſt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/517>, abgerufen am 11.06.2024.