erkennen mag. Von da verfolgt das Auge die immer mehr schwindende Bergkette der Vogesen bis nach Süden hin. Wendet man sich gegen Nordost, so sieht man das Schloß Lichtenberg auf einem Felsen, und gegen Süd¬ ost hat das Auge die unendliche Fläche des Elsasses zu durchforschen, die sich in immer mehr abduftenden Landschaftsgründen dem Ge¬ sicht entzieht, bis zuletzt die schwäbischen Ge¬ birge schattenweis in den Horizont verfließen.
Schon bey meinen wenigen Wanderungen durch die Welt hatte ich bemerkt, wie bedeu¬ tend es sey, sich auf Reisen nach dem Laufe der Wasser zu erkundigen, ja bey dem klein¬ sten Bache zu fragen, wohin er denn eigent¬ lich laufe. Man erlangt dadurch eine Ueber¬ sicht von jeder Flußregion, in der man eben befangen ist, einen Begriff von den Höhen und Tiefen, die auf einander Bezug haben, und windet sich am sichersten an diesen Leit¬ fäden, welche sowohl dem Anschauen als dem
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erkennen mag. Von da verfolgt das Auge die immer mehr ſchwindende Bergkette der Vogeſen bis nach Suͤden hin. Wendet man ſich gegen Nordoſt, ſo ſieht man das Schloß Lichtenberg auf einem Felſen, und gegen Suͤd¬ oſt hat das Auge die unendliche Flaͤche des Elſaſſes zu durchforſchen, die ſich in immer mehr abduftenden Landſchaftsgruͤnden dem Ge¬ ſicht entzieht, bis zuletzt die ſchwaͤbiſchen Ge¬ birge ſchattenweis in den Horizont verfließen.
Schon bey meinen wenigen Wanderungen durch die Welt hatte ich bemerkt, wie bedeu¬ tend es ſey, ſich auf Reiſen nach dem Laufe der Waſſer zu erkundigen, ja bey dem klein¬ ſten Bache zu fragen, wohin er denn eigent¬ lich laufe. Man erlangt dadurch eine Ueber¬ ſicht von jeder Flußregion, in der man eben befangen iſt, einen Begriff von den Hoͤhen und Tiefen, die auf einander Bezug haben, und windet ſich am ſicherſten an dieſen Leit¬ faͤden, welche ſowohl dem Anſchauen als dem
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erkennen mag. Von da verfolgt das Auge
die immer mehr ſchwindende Bergkette der
Vogeſen bis nach Suͤden hin. Wendet man
ſich gegen Nordoſt, ſo ſieht man das Schloß
Lichtenberg auf einem Felſen, und gegen Suͤd¬
oſt hat das Auge die unendliche Flaͤche des
Elſaſſes zu durchforſchen, die ſich in immer
mehr abduftenden Landſchaftsgruͤnden dem Ge¬
ſicht entzieht, bis zuletzt die ſchwaͤbiſchen Ge¬
birge ſchattenweis in den Horizont verfließen.
Schon bey meinen wenigen Wanderungen
durch die Welt hatte ich bemerkt, wie bedeu¬
tend es ſey, ſich auf Reiſen nach dem Laufe
der Waſſer zu erkundigen, ja bey dem klein¬
ſten Bache zu fragen, wohin er denn eigent¬
lich laufe. Man erlangt dadurch eine Ueber¬
ſicht von jeder Flußregion, in der man eben
befangen iſt, einen Begriff von den Hoͤhen
und Tiefen, die auf einander Bezug haben,
und windet ſich am ſicherſten an dieſen Leit¬
faͤden, welche ſowohl dem Anſchauen als dem
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/505>, abgerufen am 23.11.2024.
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