len, und man konnte nicht unterlassen, sich unter einander anzusehen; doch hatte der Freund das Privilegium, daß man ihm nichts übel nahm, und so konnte er ungestört fort¬ fahren.
"Die Mängel aufdecken ist nicht genug; ja man hat Unrecht solches zu thun, wenn man nicht zugleich das Mittel zu dem besse¬ ren Zustande anzugeben weiß. Ich will Euch, meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein Charwochenprediger, zur Buße und Besserung im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wünsche ich sämmtlichen liebenswürdigen Paaren das längste und dauerhafteste Glück, und um hie¬ zu selbst auf das sicherste beyzutragen, thue ich den Vorschlag, für unsere geselligen Stun¬ den diese kleinen allerliebsten Absonderungen zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr er fort, schon für die Ausführung gesorgt, wenn ich Beyfall finden sollte. Hier ist ein Beutel, in dem die Namen der Herren be¬
len, und man konnte nicht unterlaſſen, ſich unter einander anzuſehen; doch hatte der Freund das Privilegium, daß man ihm nichts uͤbel nahm, und ſo konnte er ungeſtoͤrt fort¬ fahren.
„Die Maͤngel aufdecken iſt nicht genug; ja man hat Unrecht ſolches zu thun, wenn man nicht zugleich das Mittel zu dem beſſe¬ ren Zuſtande anzugeben weiß. Ich will Euch, meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein Charwochenprediger, zur Buße und Beſſerung im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wuͤnſche ich ſaͤmmtlichen liebenswuͤrdigen Paaren das laͤngſte und dauerhafteſte Gluͤck, und um hie¬ zu ſelbſt auf das ſicherſte beyzutragen, thue ich den Vorſchlag, fuͤr unſere geſelligen Stun¬ den dieſe kleinen allerliebſten Abſonderungen zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr er fort, ſchon fuͤr die Ausfuͤhrung geſorgt, wenn ich Beyfall finden ſollte. Hier iſt ein Beutel, in dem die Namen der Herren be¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0050"n="42"/>
len, und man konnte nicht unterlaſſen, ſich<lb/>
unter einander anzuſehen; doch hatte der<lb/>
Freund das Privilegium, daß man ihm nichts<lb/>
uͤbel nahm, und ſo konnte er ungeſtoͤrt fort¬<lb/>
fahren.</p><lb/><p>„Die Maͤngel aufdecken iſt nicht genug;<lb/>
ja man hat Unrecht ſolches zu thun, wenn<lb/>
man nicht zugleich das Mittel zu dem beſſe¬<lb/>
ren Zuſtande anzugeben weiß. Ich will Euch,<lb/>
meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein<lb/>
Charwochenprediger, zur Buße und Beſſerung<lb/>
im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wuͤnſche<lb/>
ich ſaͤmmtlichen liebenswuͤrdigen Paaren das<lb/>
laͤngſte und dauerhafteſte Gluͤck, und um hie¬<lb/>
zu ſelbſt auf das ſicherſte beyzutragen, thue<lb/>
ich den Vorſchlag, fuͤr unſere geſelligen Stun¬<lb/>
den dieſe kleinen allerliebſten Abſonderungen<lb/>
zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr<lb/>
er fort, ſchon fuͤr die Ausfuͤhrung geſorgt,<lb/>
wenn ich Beyfall finden ſollte. Hier iſt ein<lb/>
Beutel, in dem die Namen der Herren be¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[42/0050]
len, und man konnte nicht unterlaſſen, ſich
unter einander anzuſehen; doch hatte der
Freund das Privilegium, daß man ihm nichts
uͤbel nahm, und ſo konnte er ungeſtoͤrt fort¬
fahren.
„Die Maͤngel aufdecken iſt nicht genug;
ja man hat Unrecht ſolches zu thun, wenn
man nicht zugleich das Mittel zu dem beſſe¬
ren Zuſtande anzugeben weiß. Ich will Euch,
meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein
Charwochenprediger, zur Buße und Beſſerung
im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wuͤnſche
ich ſaͤmmtlichen liebenswuͤrdigen Paaren das
laͤngſte und dauerhafteſte Gluͤck, und um hie¬
zu ſelbſt auf das ſicherſte beyzutragen, thue
ich den Vorſchlag, fuͤr unſere geſelligen Stun¬
den dieſe kleinen allerliebſten Abſonderungen
zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr
er fort, ſchon fuͤr die Ausfuͤhrung geſorgt,
wenn ich Beyfall finden ſollte. Hier iſt ein
Beutel, in dem die Namen der Herren be¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/50>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.