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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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und wollt meiner Schwester nichts Unange¬
nehmes eröffnen; aber das ist eine verwünsch¬
te Karte! Die ältere wurde blaß, doch fa߬
te sie sich und sagte: So sprecht nur; es
wird ja den Kopf nicht kosten! Die Alte,
nach einem tiefen Seufzer, zeigte ihr nun
an, daß sie liebe, daß sie nicht geliebt wer¬
de, daß eine andere Person dazwischen stehe
und was dergleichen Dinge mehr waren.
Man sah dem guten Mädchen die Verlegen¬
heit an. Die Alte glaubte die Sache wie¬
der etwas zu verbessern, indem sie auf Brie¬
fe und Geld Hoffnung machte. -- Briefe,
sagte das schöne Kind, erwarte ich nicht und
Geld mag ich nicht. Wenn es wahr ist, wie
Ihr sagt, daß ich liebe, so verdiene ich ein
Herz das mich wieder liebt. -- Wir wol¬
len sehen, ob es nicht besser wird, versetzte
die Alte, indem sie die Karten mischte und
zum zweyten Mal auflegte; allein es war
vor unser aller Augen nur noch schlimmer ge¬
worden. Die Schöne stand nicht allein ein¬

II. 28

und wollt meiner Schweſter nichts Unange¬
nehmes eroͤffnen; aber das iſt eine verwuͤnſch¬
te Karte! Die aͤltere wurde blaß, doch fa߬
te ſie ſich und ſagte: So ſprecht nur; es
wird ja den Kopf nicht koſten! Die Alte,
nach einem tiefen Seufzer, zeigte ihr nun
an, daß ſie liebe, daß ſie nicht geliebt wer¬
de, daß eine andere Perſon dazwiſchen ſtehe
und was dergleichen Dinge mehr waren.
Man ſah dem guten Maͤdchen die Verlegen¬
heit an. Die Alte glaubte die Sache wie¬
der etwas zu verbeſſern, indem ſie auf Brie¬
fe und Geld Hoffnung machte. — Briefe,
ſagte das ſchoͤne Kind, erwarte ich nicht und
Geld mag ich nicht. Wenn es wahr iſt, wie
Ihr ſagt, daß ich liebe, ſo verdiene ich ein
Herz das mich wieder liebt. — Wir wol¬
len ſehen, ob es nicht beſſer wird, verſetzte
die Alte, indem ſie die Karten miſchte und
zum zweyten Mal auflegte; allein es war
vor unſer aller Augen nur noch ſchlimmer ge¬
worden. Die Schoͤne ſtand nicht allein ein¬

II. 28
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[433/0441] und wollt meiner Schweſter nichts Unange¬ nehmes eroͤffnen; aber das iſt eine verwuͤnſch¬ te Karte! Die aͤltere wurde blaß, doch fa߬ te ſie ſich und ſagte: So ſprecht nur; es wird ja den Kopf nicht koſten! Die Alte, nach einem tiefen Seufzer, zeigte ihr nun an, daß ſie liebe, daß ſie nicht geliebt wer¬ de, daß eine andere Perſon dazwiſchen ſtehe und was dergleichen Dinge mehr waren. Man ſah dem guten Maͤdchen die Verlegen¬ heit an. Die Alte glaubte die Sache wie¬ der etwas zu verbeſſern, indem ſie auf Brie¬ fe und Geld Hoffnung machte. — Briefe, ſagte das ſchoͤne Kind, erwarte ich nicht und Geld mag ich nicht. Wenn es wahr iſt, wie Ihr ſagt, daß ich liebe, ſo verdiene ich ein Herz das mich wieder liebt. — Wir wol¬ len ſehen, ob es nicht beſſer wird, verſetzte die Alte, indem ſie die Karten miſchte und zum zweyten Mal auflegte; allein es war vor unſer aller Augen nur noch ſchlimmer ge¬ worden. Die Schoͤne ſtand nicht allein ein¬ II. 28

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/441>, abgerufen am 23.11.2024.