Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

und seine Altersgenossen ausstieß. Er war
still und ich hoffte ihn begütigt, als wir in
ein oberes Zimmer traten, wo wir einen jun¬
gen Mann allein auf- und abgehend fanden,
den der Hauptmann mit Namen begrüßte.
Es war mir angenehm ihn kennen zu ler¬
nen : denn der alte Gesell hatte mir viel Gu¬
tes von ihm gesagt und mir erzählt, daß
dieser, beym Kriegsbüreau angestellt, ihm
schon manchmal, wenn die Pensionen gestockt,
uneigennützig sehr gute Dienste geleistet habe.
Ich war froh, daß das Gespräch sich in's
Allgemeine lenkte, und wir tranken eine Fla¬
sche Wein, indem wir es fortsetzten. Hier
entwickelte sich aber zum Unglück ein anderer
Fehler, den mein Ritter mit starrsinnigen
Menschen gemein hatte. Denn wie er im
Ganzen von jenem fixen Begriff nicht loskom¬
men konnte, eben so sehr hielt er an einem
augenblicklichen unangenehmen Eindruck fest,
und ließ seine Empfindungen dabey ohne
Mäßigung abschnurren. Der letzte Verdruß

und ſeine Altersgenoſſen ausſtieß. Er war
ſtill und ich hoffte ihn beguͤtigt, als wir in
ein oberes Zimmer traten, wo wir einen jun¬
gen Mann allein auf- und abgehend fanden,
den der Hauptmann mit Namen begruͤßte.
Es war mir angenehm ihn kennen zu ler¬
nen : denn der alte Geſell hatte mir viel Gu¬
tes von ihm geſagt und mir erzaͤhlt, daß
dieſer, beym Kriegsbuͤreau angeſtellt, ihm
ſchon manchmal, wenn die Penſionen geſtockt,
uneigennuͤtzig ſehr gute Dienſte geleiſtet habe.
Ich war froh, daß das Geſpraͤch ſich in's
Allgemeine lenkte, und wir tranken eine Fla¬
ſche Wein, indem wir es fortſetzten. Hier
entwickelte ſich aber zum Ungluͤck ein anderer
Fehler, den mein Ritter mit ſtarrſinnigen
Menſchen gemein hatte. Denn wie er im
Ganzen von jenem fixen Begriff nicht loskom¬
men konnte, eben ſo ſehr hielt er an einem
augenblicklichen unangenehmen Eindruck feſt,
und ließ ſeine Empfindungen dabey ohne
Maͤßigung abſchnurren. Der letzte Verdruß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0412" n="404"/>
und &#x017F;eine Altersgeno&#x017F;&#x017F;en aus&#x017F;tieß. Er war<lb/>
&#x017F;till und ich hoffte ihn begu&#x0364;tigt, als wir in<lb/>
ein oberes Zimmer traten, wo wir einen jun¬<lb/>
gen Mann allein auf- und abgehend fanden,<lb/>
den der Hauptmann mit Namen begru&#x0364;ßte.<lb/>
Es war mir angenehm ihn kennen zu ler¬<lb/>
nen : denn der alte Ge&#x017F;ell hatte mir viel Gu¬<lb/>
tes von ihm ge&#x017F;agt und mir erza&#x0364;hlt, daß<lb/>
die&#x017F;er, beym Kriegsbu&#x0364;reau ange&#x017F;tellt, ihm<lb/>
&#x017F;chon manchmal, wenn die Pen&#x017F;ionen ge&#x017F;tockt,<lb/>
uneigennu&#x0364;tzig &#x017F;ehr gute Dien&#x017F;te gelei&#x017F;tet habe.<lb/>
Ich war froh, daß das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch &#x017F;ich in's<lb/>
Allgemeine lenkte, und wir tranken eine Fla¬<lb/>
&#x017F;che Wein, indem wir es fort&#x017F;etzten. Hier<lb/>
entwickelte &#x017F;ich aber zum Unglu&#x0364;ck ein anderer<lb/>
Fehler, den mein Ritter mit &#x017F;tarr&#x017F;innigen<lb/>
Men&#x017F;chen gemein hatte. Denn wie er im<lb/>
Ganzen von jenem fixen Begriff nicht loskom¬<lb/>
men konnte, eben &#x017F;o &#x017F;ehr hielt er an einem<lb/>
augenblicklichen unangenehmen Eindruck fe&#x017F;t,<lb/>
und ließ &#x017F;eine Empfindungen dabey ohne<lb/>
Ma&#x0364;ßigung ab&#x017F;chnurren. Der letzte Verdruß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0412] und ſeine Altersgenoſſen ausſtieß. Er war ſtill und ich hoffte ihn beguͤtigt, als wir in ein oberes Zimmer traten, wo wir einen jun¬ gen Mann allein auf- und abgehend fanden, den der Hauptmann mit Namen begruͤßte. Es war mir angenehm ihn kennen zu ler¬ nen : denn der alte Geſell hatte mir viel Gu¬ tes von ihm geſagt und mir erzaͤhlt, daß dieſer, beym Kriegsbuͤreau angeſtellt, ihm ſchon manchmal, wenn die Penſionen geſtockt, uneigennuͤtzig ſehr gute Dienſte geleiſtet habe. Ich war froh, daß das Geſpraͤch ſich in's Allgemeine lenkte, und wir tranken eine Fla¬ ſche Wein, indem wir es fortſetzten. Hier entwickelte ſich aber zum Ungluͤck ein anderer Fehler, den mein Ritter mit ſtarrſinnigen Menſchen gemein hatte. Denn wie er im Ganzen von jenem fixen Begriff nicht loskom¬ men konnte, eben ſo ſehr hielt er an einem augenblicklichen unangenehmen Eindruck feſt, und ließ ſeine Empfindungen dabey ohne Maͤßigung abſchnurren. Der letzte Verdruß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/412
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/412>, abgerufen am 26.11.2024.