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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Trübe, und Schwärmerey, die sie bald ins
Dunkle hätte führen können, abgaben und
vermengten. Auch diese Classe war respecta¬
bel und zahlreich; alle ehrliche tüchtige Leute
verstanden sich und waren von gleicher Ueber¬
zeugung so wie von gleichem Lebensgang.

Lerse, ebenmäßig unser Tischgeselle, ge¬
hörte auch zu dieser Zahl; ein vollkommen
rechtlicher und bey beschränkten Glücksgütern
mäßiger und genauer junger Mann. Seine
Lebens- und Haushaltungsweise war die knapp¬
ste, die ich unter Studirenden je kannte. Er
trug sich am saubersten von uns allen, und
doch erschien er immer in denselben Kleidern;
aber er behandelte auch seine Garderobe mit
der größten Sorgfalt, er hielt seine Umge¬
bung reinlich und so verlangte er auch nach
seinem Beyspiel alles im gemeinen Le¬
ben. Es begegnete ihm nicht, daß er sich
irgendwo angelehnt oder seinen Ellbogen auf
den Tisch gestemmt hätte; niemals vergaß er

Truͤbe, und Schwaͤrmerey, die ſie bald ins
Dunkle haͤtte fuͤhren koͤnnen, abgaben und
vermengten. Auch dieſe Claſſe war reſpecta¬
bel und zahlreich; alle ehrliche tuͤchtige Leute
verſtanden ſich und waren von gleicher Ueber¬
zeugung ſo wie von gleichem Lebensgang.

Lerſe, ebenmaͤßig unſer Tiſchgeſelle, ge¬
hoͤrte auch zu dieſer Zahl; ein vollkommen
rechtlicher und bey beſchraͤnkten Gluͤcksguͤtern
maͤßiger und genauer junger Mann. Seine
Lebens- und Haushaltungsweiſe war die knapp¬
ſte, die ich unter Studirenden je kannte. Er
trug ſich am ſauberſten von uns allen, und
doch erſchien er immer in denſelben Kleidern;
aber er behandelte auch ſeine Garderobe mit
der groͤßten Sorgfalt, er hielt ſeine Umge¬
bung reinlich und ſo verlangte er auch nach
ſeinem Beyſpiel alles im gemeinen Le¬
ben. Es begegnete ihm nicht, daß er ſich
irgendwo angelehnt oder ſeinen Ellbogen auf
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[384/0392] Truͤbe, und Schwaͤrmerey, die ſie bald ins Dunkle haͤtte fuͤhren koͤnnen, abgaben und vermengten. Auch dieſe Claſſe war reſpecta¬ bel und zahlreich; alle ehrliche tuͤchtige Leute verſtanden ſich und waren von gleicher Ueber¬ zeugung ſo wie von gleichem Lebensgang. Lerſe, ebenmaͤßig unſer Tiſchgeſelle, ge¬ hoͤrte auch zu dieſer Zahl; ein vollkommen rechtlicher und bey beſchraͤnkten Gluͤcksguͤtern maͤßiger und genauer junger Mann. Seine Lebens- und Haushaltungsweiſe war die knapp¬ ſte, die ich unter Studirenden je kannte. Er trug ſich am ſauberſten von uns allen, und doch erſchien er immer in denſelben Kleidern; aber er behandelte auch ſeine Garderobe mit der groͤßten Sorgfalt, er hielt ſeine Umge¬ bung reinlich und ſo verlangte er auch nach ſeinem Beyſpiel alles im gemeinen Le¬ ben. Es begegnete ihm nicht, daß er ſich irgendwo angelehnt oder ſeinen Ellbogen auf den Tiſch geſtemmt haͤtte; niemals vergaß er

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/392>, abgerufen am 28.11.2024.