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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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augenscheinlich bestätige. Jung hatte derglei¬
chen Erfahrungen in seinem Leben so viele
gemacht, sie hatten sich selbst in der neuern
Zeit, in Straßburg, öfters wiederholt, so
daß er mit der größten Freudigkeit ein zwar
mäßiges aber doch sorgloses Leben führte und
seinen Studien auf's ernstlichste oblag, wie¬
wohl er auf kein sicheres Auskommen von
einem Vierteljahre zum andern rechnen konnte.
In seiner Jugend, auf dem Wege Kohlen¬
brenner zu werden, ergriff er das Schneider¬
handwerk, und nachdem er sich nebenher von
höheren Dingen selbst belehrt, so trieb ihn
sein lehrlustiger Sinn zu einer Schulmeister¬
stelle. Dieser Versuch mislang, und er kehrte
zum Handwerk zurück, von dem er jedoch zu
wiederholten Malen, weil Jedermann für
ihn leicht Zutrauen und Neigung faßte, ab¬
gerufen ward, um abermals eine Stelle als
Hauslehrer zu übernehmen. Seine innerlich¬
ste und eigentlichste Bildung aber hatte er je¬
ner ausgebreiteten Menschenart zu danken,

augenſcheinlich beſtaͤtige. Jung hatte derglei¬
chen Erfahrungen in ſeinem Leben ſo viele
gemacht, ſie hatten ſich ſelbſt in der neuern
Zeit, in Straßburg, oͤfters wiederholt, ſo
daß er mit der groͤßten Freudigkeit ein zwar
maͤßiges aber doch ſorgloſes Leben fuͤhrte und
ſeinen Studien auf's ernſtlichſte oblag, wie¬
wohl er auf kein ſicheres Auskommen von
einem Vierteljahre zum andern rechnen konnte.
In ſeiner Jugend, auf dem Wege Kohlen¬
brenner zu werden, ergriff er das Schneider¬
handwerk, und nachdem er ſich nebenher von
hoͤheren Dingen ſelbſt belehrt, ſo trieb ihn
ſein lehrluſtiger Sinn zu einer Schulmeiſter¬
ſtelle. Dieſer Verſuch mislang, und er kehrte
zum Handwerk zuruͤck, von dem er jedoch zu
wiederholten Malen, weil Jedermann fuͤr
ihn leicht Zutrauen und Neigung faßte, ab¬
gerufen ward, um abermals eine Stelle als
Hauslehrer zu uͤbernehmen. Seine innerlich¬
ſte und eigentlichſte Bildung aber hatte er je¬
ner ausgebreiteten Menſchenart zu danken,

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[380/0388] augenſcheinlich beſtaͤtige. Jung hatte derglei¬ chen Erfahrungen in ſeinem Leben ſo viele gemacht, ſie hatten ſich ſelbſt in der neuern Zeit, in Straßburg, oͤfters wiederholt, ſo daß er mit der groͤßten Freudigkeit ein zwar maͤßiges aber doch ſorgloſes Leben fuͤhrte und ſeinen Studien auf's ernſtlichſte oblag, wie¬ wohl er auf kein ſicheres Auskommen von einem Vierteljahre zum andern rechnen konnte. In ſeiner Jugend, auf dem Wege Kohlen¬ brenner zu werden, ergriff er das Schneider¬ handwerk, und nachdem er ſich nebenher von hoͤheren Dingen ſelbſt belehrt, ſo trieb ihn ſein lehrluſtiger Sinn zu einer Schulmeiſter¬ ſtelle. Dieſer Verſuch mislang, und er kehrte zum Handwerk zuruͤck, von dem er jedoch zu wiederholten Malen, weil Jedermann fuͤr ihn leicht Zutrauen und Neigung faßte, ab¬ gerufen ward, um abermals eine Stelle als Hauslehrer zu uͤbernehmen. Seine innerlich¬ ſte und eigentlichſte Bildung aber hatte er je¬ ner ausgebreiteten Menſchenart zu danken,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/388>, abgerufen am 27.11.2024.