von dem schrecklichen Ereigniß mit hingerafft seyen. Daß mir lebhaft bey dieser Gelegen¬ heit jene gräßlichen Bilder des Hauptsaales wieder vor die Seele traten, brauche ich kaum zu erwähnen: denn jedem ist bekannt, wie mächtig gewisse sittliche Eindrücke sind, wenn sie sich an sinnlichen gleichsam verkörpern.
Diese Begebenheit sollte jedoch auch die Meinigen durch eine Posse, die ich mir er¬ laubte, in Angst und Noth versetzen. Unter uns jungen Leuten, die wir in Leipzig zusam¬ men waren, hatte sich auch nachher ein ge¬ wisser Kitzel erhalten, einander etwas aufzu¬ binden und wechselsweise zu mystificiren. In solchem frevelhaften Muthwillen schrieb ich an einen Freund in Frankfurt (es war derselbe, der mein Gedicht an den Kuchenbäcker Hen¬ del amplificirt auf Medon angewendet und dessen allgemeine Verbreitung verursacht hat¬ te) einen Brief von Versailles aus datirt, worin ich ihm meine glückliche Ankunft da¬
von dem ſchrecklichen Ereigniß mit hingerafft ſeyen. Daß mir lebhaft bey dieſer Gelegen¬ heit jene graͤßlichen Bilder des Hauptſaales wieder vor die Seele traten, brauche ich kaum zu erwaͤhnen: denn jedem iſt bekannt, wie maͤchtig gewiſſe ſittliche Eindruͤcke ſind, wenn ſie ſich an ſinnlichen gleichſam verkoͤrpern.
Dieſe Begebenheit ſollte jedoch auch die Meinigen durch eine Poſſe, die ich mir er¬ laubte, in Angſt und Noth verſetzen. Unter uns jungen Leuten, die wir in Leipzig zuſam¬ men waren, hatte ſich auch nachher ein ge¬ wiſſer Kitzel erhalten, einander etwas aufzu¬ binden und wechſelsweiſe zu myſtificiren. In ſolchem frevelhaften Muthwillen ſchrieb ich an einen Freund in Frankfurt (es war derſelbe, der mein Gedicht an den Kuchenbaͤcker Hen¬ del amplificirt auf Medon angewendet und deſſen allgemeine Verbreitung verurſacht hat¬ te) einen Brief von Verſailles aus datirt, worin ich ihm meine gluͤckliche Ankunft da¬
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von dem ſchrecklichen Ereigniß mit hingerafft
ſeyen. Daß mir lebhaft bey dieſer Gelegen¬
heit jene graͤßlichen Bilder des Hauptſaales
wieder vor die Seele traten, brauche ich kaum
zu erwaͤhnen: denn jedem iſt bekannt, wie
maͤchtig gewiſſe ſittliche Eindruͤcke ſind, wenn
ſie ſich an ſinnlichen gleichſam verkoͤrpern.
Dieſe Begebenheit ſollte jedoch auch die
Meinigen durch eine Poſſe, die ich mir er¬
laubte, in Angſt und Noth verſetzen. Unter
uns jungen Leuten, die wir in Leipzig zuſam¬
men waren, hatte ſich auch nachher ein ge¬
wiſſer Kitzel erhalten, einander etwas aufzu¬
binden und wechſelsweiſe zu myſtificiren. In
ſolchem frevelhaften Muthwillen ſchrieb ich an
einen Freund in Frankfurt (es war derſelbe,
der mein Gedicht an den Kuchenbaͤcker Hen¬
del amplificirt auf Medon angewendet und
deſſen allgemeine Verbreitung verurſacht hat¬
te) einen Brief von Verſailles aus datirt,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/375>, abgerufen am 10.06.2024.
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