tagstisch seit vielen Jahren besucht und in Ordnung und Ansehen erhalten. Er besaß ein schönes Vermögen; in seinem Aeußeren hielt er sich knapp und nett, ja er gehörte zu denen, die immer in Schuh und Strüm¬ pfen und den Hut unter dem Arm gehen. Den Hut aufzusetzen war bey ihm eine au¬ ßerordentliche Handlung. Einen Regenschirm führte er gewöhnlich mit sich, wohl eingedenk, daß die schönsten Sommertage oft Gewitter und Streifschauer über das Land bringen.
Mit diesem Manne beredete ich meinen Vorsatz, mich hier in Straßburg der Rechts¬ wissenschaft ferner zu befleißigen, um bald möglichst promoviren zu können. Da er von allem genau unterrichtet war, so be¬ fragte ich ihn über die Collegia, die ich zu hören hätte, und was er allenfalls von der Sache denke? Darauf erwiederte er mir, daß es sich in Straßburg nicht etwa wie auf deutschen Academieen verhalte, wo man wohl
II. 23
tagstiſch ſeit vielen Jahren beſucht und in Ordnung und Anſehen erhalten. Er beſaß ein ſchoͤnes Vermoͤgen; in ſeinem Aeußeren hielt er ſich knapp und nett, ja er gehoͤrte zu denen, die immer in Schuh und Struͤm¬ pfen und den Hut unter dem Arm gehen. Den Hut aufzuſetzen war bey ihm eine au¬ ßerordentliche Handlung. Einen Regenſchirm fuͤhrte er gewoͤhnlich mit ſich, wohl eingedenk, daß die ſchoͤnſten Sommertage oft Gewitter und Streifſchauer uͤber das Land bringen.
Mit dieſem Manne beredete ich meinen Vorſatz, mich hier in Straßburg der Rechts¬ wiſſenſchaft ferner zu befleißigen, um bald moͤglichſt promoviren zu koͤnnen. Da er von allem genau unterrichtet war, ſo be¬ fragte ich ihn uͤber die Collegia, die ich zu hoͤren haͤtte, und was er allenfalls von der Sache denke? Darauf erwiederte er mir, daß es ſich in Straßburg nicht etwa wie auf deutſchen Academieen verhalte, wo man wohl
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tagstiſch ſeit vielen Jahren beſucht und in
Ordnung und Anſehen erhalten. Er beſaß
ein ſchoͤnes Vermoͤgen; in ſeinem Aeußeren
hielt er ſich knapp und nett, ja er gehoͤrte
zu denen, die immer in Schuh und Struͤm¬
pfen und den Hut unter dem Arm gehen.
Den Hut aufzuſetzen war bey ihm eine au¬
ßerordentliche Handlung. Einen Regenſchirm
fuͤhrte er gewoͤhnlich mit ſich, wohl eingedenk,
daß die ſchoͤnſten Sommertage oft Gewitter
und Streifſchauer uͤber das Land bringen.
Mit dieſem Manne beredete ich meinen
Vorſatz, mich hier in Straßburg der Rechts¬
wiſſenſchaft ferner zu befleißigen, um bald
moͤglichſt promoviren zu koͤnnen. Da er
von allem genau unterrichtet war, ſo be¬
fragte ich ihn uͤber die Collegia, die ich zu
hoͤren haͤtte, und was er allenfalls von der
Sache denke? Darauf erwiederte er mir,
daß es ſich in Straßburg nicht etwa wie auf
deutſchen Academieen verhalte, wo man wohl
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/361>, abgerufen am 25.11.2024.
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