deren Benutzung mich, selbst bey dem langsam¬ sten Genesen, erquicken sollte.
Das Vertrauen, welches neue Freunde sich einander schenken, pflegt sich stufenweise zu entwickeln. Gemeinsame Beschäftigungen und Liebhabereyen sind das erste, worin sich eine wechselseitige Uebereinstimmung hervor¬ thut; sodann pflegt die Mittheilung sich über vergangene und gegenwärtige Leidenschaften, besonders über Liebesabenteuer zu erstrecken: es ist aber noch ein Tieferes, das sich auf¬ schließt, wenn das Verhältniß sich vollenden will, es sind die religiosen Gesinnungen, die Angelegenheiten des Herzens, die auf das Unvergängliche Bezug haben, und wel¬ che sowohl den Grund einer Freundschaft befe¬ stigen als ihren Gipfel zieren.
Die christliche Religion schwankte zwischen ihrem eignen Historischpositiven und einem rei¬ nen Deismus, der, auf Sittlichkeit gegründet.
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deren Benutzung mich, ſelbſt bey dem langſam¬ ſten Geneſen, erquicken ſollte.
Das Vertrauen, welches neue Freunde ſich einander ſchenken, pflegt ſich ſtufenweiſe zu entwickeln. Gemeinſame Beſchaͤftigungen und Liebhabereyen ſind das erſte, worin ſich eine wechſelſeitige Uebereinſtimmung hervor¬ thut; ſodann pflegt die Mittheilung ſich uͤber vergangene und gegenwaͤrtige Leidenſchaften, beſonders uͤber Liebeſabenteuer zu erſtrecken: es iſt aber noch ein Tieferes, das ſich auf¬ ſchließt, wenn das Verhaͤltniß ſich vollenden will, es ſind die religioſen Geſinnungen, die Angelegenheiten des Herzens, die auf das Unvergaͤngliche Bezug haben, und wel¬ che ſowohl den Grund einer Freundſchaft befe¬ ſtigen als ihren Gipfel zieren.
Die chriſtliche Religion ſchwankte zwiſchen ihrem eignen Hiſtoriſchpoſitiven und einem rei¬ nen Deismus, der, auf Sittlichkeit gegruͤndet.
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deren Benutzung mich, ſelbſt bey dem langſam¬
ſten Geneſen, erquicken ſollte.
Das Vertrauen, welches neue Freunde
ſich einander ſchenken, pflegt ſich ſtufenweiſe
zu entwickeln. Gemeinſame Beſchaͤftigungen
und Liebhabereyen ſind das erſte, worin ſich
eine wechſelſeitige Uebereinſtimmung hervor¬
thut; ſodann pflegt die Mittheilung ſich uͤber
vergangene und gegenwaͤrtige Leidenſchaften,
beſonders uͤber Liebeſabenteuer zu erſtrecken:
es iſt aber noch ein Tieferes, das ſich auf¬
ſchließt, wenn das Verhaͤltniß ſich vollenden
will, es ſind die religioſen Geſinnungen,
die Angelegenheiten des Herzens, die auf
das Unvergaͤngliche Bezug haben, und wel¬
che ſowohl den Grund einer Freundſchaft befe¬
ſtigen als ihren Gipfel zieren.
Die chriſtliche Religion ſchwankte zwiſchen
ihrem eignen Hiſtoriſchpoſitiven und einem rei¬
nen Deismus, der, auf Sittlichkeit gegruͤndet.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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