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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Gefühl nach der Natur, und regte mich an
das Gleiche zu thun; da ich denn in seiner
Art auf grau Papier mit schwarzer und wei¬
ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße
und manchen lieblichen Winkel dieser stillen
Wasser nachzubilden und dabey immer sehn¬
süchtig meinen Grillen nachzuhängen pflegte.
Er wußte mein mitunter comisches Wesen
durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬
innere mich mancher vergnügten Stunde, die
wir zusammen zubrachten, wenn er mich mit
scherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendessen
unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem
Anstand, bey angezündeten Wachslichtern, ei¬
nen sogenannten Rathshasen, der ihm als De¬
putat seiner Stelle in die Küche gelaufen war,
verzehrten, und mit gar manchen Späßen, in
Behrischens Manier, das Essen zu würzen
und den Geist des Weines zu erhöhen belieb¬
ten. Daß dieser treffliche und noch jetzt in
seinem ansehnlichen Amte immer fort wirksa¬
me Mann mir bey meinem zwar geahndeten,

Gefuͤhl nach der Natur, und regte mich an
das Gleiche zu thun; da ich denn in ſeiner
Art auf grau Papier mit ſchwarzer und wei¬
ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße
und manchen lieblichen Winkel dieſer ſtillen
Waſſer nachzubilden und dabey immer ſehn¬
ſuͤchtig meinen Grillen nachzuhaͤngen pflegte.
Er wußte mein mitunter comiſches Weſen
durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬
innere mich mancher vergnuͤgten Stunde, die
wir zuſammen zubrachten, wenn er mich mit
ſcherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendeſſen
unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem
Anſtand, bey angezuͤndeten Wachslichtern, ei¬
nen ſogenannten Rathshaſen, der ihm als De¬
putat ſeiner Stelle in die Kuͤche gelaufen war,
verzehrten, und mit gar manchen Spaͤßen, in
Behriſchens Manier, das Eſſen zu wuͤrzen
und den Geiſt des Weines zu erhoͤhen belieb¬
ten. Daß dieſer treffliche und noch jetzt in
ſeinem anſehnlichen Amte immer fort wirkſa¬
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[286/0294] Gefuͤhl nach der Natur, und regte mich an das Gleiche zu thun; da ich denn in ſeiner Art auf grau Papier mit ſchwarzer und wei¬ ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße und manchen lieblichen Winkel dieſer ſtillen Waſſer nachzubilden und dabey immer ſehn¬ ſuͤchtig meinen Grillen nachzuhaͤngen pflegte. Er wußte mein mitunter comiſches Weſen durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬ innere mich mancher vergnuͤgten Stunde, die wir zuſammen zubrachten, wenn er mich mit ſcherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendeſſen unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem Anſtand, bey angezuͤndeten Wachslichtern, ei¬ nen ſogenannten Rathshaſen, der ihm als De¬ putat ſeiner Stelle in die Kuͤche gelaufen war, verzehrten, und mit gar manchen Spaͤßen, in Behriſchens Manier, das Eſſen zu wuͤrzen und den Geiſt des Weines zu erhoͤhen belieb¬ ten. Daß dieſer treffliche und noch jetzt in ſeinem anſehnlichen Amte immer fort wirkſa¬ me Mann mir bey meinem zwar geahndeten,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/294>, abgerufen am 25.11.2024.