Gefühl nach der Natur, und regte mich an das Gleiche zu thun; da ich denn in seiner Art auf grau Papier mit schwarzer und wei¬ ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße und manchen lieblichen Winkel dieser stillen Wasser nachzubilden und dabey immer sehn¬ süchtig meinen Grillen nachzuhängen pflegte. Er wußte mein mitunter comisches Wesen durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬ innere mich mancher vergnügten Stunde, die wir zusammen zubrachten, wenn er mich mit scherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendessen unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem Anstand, bey angezündeten Wachslichtern, ei¬ nen sogenannten Rathshasen, der ihm als De¬ putat seiner Stelle in die Küche gelaufen war, verzehrten, und mit gar manchen Späßen, in Behrischens Manier, das Essen zu würzen und den Geist des Weines zu erhöhen belieb¬ ten. Daß dieser treffliche und noch jetzt in seinem ansehnlichen Amte immer fort wirksa¬ me Mann mir bey meinem zwar geahndeten,
Gefuͤhl nach der Natur, und regte mich an das Gleiche zu thun; da ich denn in ſeiner Art auf grau Papier mit ſchwarzer und wei¬ ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße und manchen lieblichen Winkel dieſer ſtillen Waſſer nachzubilden und dabey immer ſehn¬ ſuͤchtig meinen Grillen nachzuhaͤngen pflegte. Er wußte mein mitunter comiſches Weſen durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬ innere mich mancher vergnuͤgten Stunde, die wir zuſammen zubrachten, wenn er mich mit ſcherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendeſſen unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem Anſtand, bey angezuͤndeten Wachslichtern, ei¬ nen ſogenannten Rathshaſen, der ihm als De¬ putat ſeiner Stelle in die Kuͤche gelaufen war, verzehrten, und mit gar manchen Spaͤßen, in Behriſchens Manier, das Eſſen zu wuͤrzen und den Geiſt des Weines zu erhoͤhen belieb¬ ten. Daß dieſer treffliche und noch jetzt in ſeinem anſehnlichen Amte immer fort wirkſa¬ me Mann mir bey meinem zwar geahndeten,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0294"n="286"/>
Gefuͤhl nach der Natur, und regte mich an<lb/>
das Gleiche zu thun; da ich denn in ſeiner<lb/>
Art auf grau Papier mit ſchwarzer und wei¬<lb/>
ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße<lb/>
und manchen lieblichen Winkel dieſer ſtillen<lb/>
Waſſer nachzubilden und dabey immer ſehn¬<lb/>ſuͤchtig meinen Grillen nachzuhaͤngen pflegte.<lb/>
Er wußte mein mitunter comiſches Weſen<lb/>
durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬<lb/>
innere mich mancher vergnuͤgten Stunde, die<lb/>
wir zuſammen zubrachten, wenn er mich mit<lb/>ſcherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendeſſen<lb/>
unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem<lb/>
Anſtand, bey angezuͤndeten Wachslichtern, ei¬<lb/>
nen ſogenannten Rathshaſen, der ihm als De¬<lb/>
putat ſeiner Stelle in die Kuͤche gelaufen war,<lb/>
verzehrten, und mit gar manchen Spaͤßen, in<lb/>
Behriſchens Manier, das Eſſen zu wuͤrzen<lb/>
und den Geiſt des Weines zu erhoͤhen belieb¬<lb/>
ten. Daß dieſer treffliche und noch jetzt in<lb/>ſeinem anſehnlichen Amte immer fort wirkſa¬<lb/>
me Mann mir bey meinem zwar geahndeten,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[286/0294]
Gefuͤhl nach der Natur, und regte mich an
das Gleiche zu thun; da ich denn in ſeiner
Art auf grau Papier mit ſchwarzer und wei¬
ßer Kreide gar manches Weidigt der Pleiße
und manchen lieblichen Winkel dieſer ſtillen
Waſſer nachzubilden und dabey immer ſehn¬
ſuͤchtig meinen Grillen nachzuhaͤngen pflegte.
Er wußte mein mitunter comiſches Weſen
durch heitere Scherze zu erwiedern, und ich er¬
innere mich mancher vergnuͤgten Stunde, die
wir zuſammen zubrachten, wenn er mich mit
ſcherzhafter Feyerlichkeit zu einem Abendeſſen
unter vier Augen einlud, wo wir mit eignem
Anſtand, bey angezuͤndeten Wachslichtern, ei¬
nen ſogenannten Rathshaſen, der ihm als De¬
putat ſeiner Stelle in die Kuͤche gelaufen war,
verzehrten, und mit gar manchen Spaͤßen, in
Behriſchens Manier, das Eſſen zu wuͤrzen
und den Geiſt des Weines zu erhoͤhen belieb¬
ten. Daß dieſer treffliche und noch jetzt in
ſeinem anſehnlichen Amte immer fort wirkſa¬
me Mann mir bey meinem zwar geahndeten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/294>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.